Steuerreform
Wien. 2019 soll es erstmals seit 1954 einen Budgetüberschuss geben, das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht von 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, das sind etwa 800 Millionen Euro. Nun, eines ist sicher: Dieser Ansatz ist tiefgestapelt, um es vorsichtig auszudrücken. Es wird schon heuer einen Überschuss geben. Nun ist es politisch sicherlich klug, sich schlechter zu rechnen, da hohe Steuereinnahmen immer sofort politische Wünsche auslösen, die teuer werden.
Faktum ist allerdings, dass die bis Mitte 2019 fertig ausgearbeitete Steuerreform, die am 1. Jänner 2020 in Kraft treten soll, einen Umfang von bis zu sechs Milliarden Euro haben kann. Es soll nach dem Willen der Regierung die größte Reform der Zweiten Republik werden. Das neue daran: Von „aufkommensneutral“ wird bei dieser Steuerreform keine Rede sein, denn die öffentliche Hand schwimmt im Steuer-Geld.
Die Regierung darf sich jetzt schon freuen, auch wenn der gewaltige Polster natürlich von den Steuerzahlern gekommen sein wird. Ein wesentlicher Beitrag kommt von der guten Konjunktur. Die Zahl aller unselbständig Erwerbstätiger (inklusive Geringfügige) liegt über der Vier-Millionen-Marke, dementsprechend geringer fallen die Kosten für das Arbeitsmarktservice aus. Und gleichzeitig steigen die Einnahmen aus der Lohnsteuer. Allein zwischen 2017 und 2020 steigt das Lohnsteueraufkommen um mehr als vier Milliarden Euro auf 29,2 Milliarden, soweit der Budgetplan der Regierung. Im aktuellen Budgetvollzug des heurigen Jahres bis August lag die Lohnsteuer um 6,4 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Das liegt deutlich über der Inflationsrate und ist wohl ein Hinweis, wie groß der Spielraum ist.
Die gute Wirtschaftslage macht sich auch bei den Gewinnen der Unternehmen und Selbständigen deutlich bemerkbar. Sowohl die Einkommens- als auch die Körperschaftssteuer entwickeln sich deutlich über Plan.
Die ebenfalls vom Faktor Arbeit abhängigen Abgaben auf Familienlastenausgleichs (FLAF)- und Insolvenzentgeltfonds werden dementsprechend gut gefüllt. Sie werden von Arbeitgeberbeiträgen finanziert. Auch hier ergibt sich ein Senkungs-Spielraum, wobei der sogenannte FLAF-Beitrag deutlich stärker zu Buche schlägt.
Heta schüttet 2019 erneut aus
Ein zweiter Brocken, wenn auch nur einmalig, kommt von der ehemaligen Problembank Hypo Alpe Adria, die unter dem Namen Heta derzeit verwertet wird. Die läuft deutlich besser als erwartet, es wird – ist aus inoffiziellen Quellen zu hören – auch 2019 eine Zwischenausschüttung an den Bund geben. Im kommenden Jahr fließen aus dem Hypo-Vergleich mit Bayern 820 Millionen Euro, 2020 weitere 410 Millionen. Wiewohl einmalige Einnahmen, werden sie zur Finanzierung der Steuerreform herangezogen werden.
In den Jahren 2019 und 2020 sind im längerfristigen Budgetplan insgesamt 2,6 Milliarden Euro als Reserve für die Steuerreform ausgewiesen, die kurz beschriebenen Reserven dazugerechnet ermöglichen ein Entlastungs-Volumen von sechs Milliarden Euro ohne große Gegen-Maßnahmen, ist aus ÖVP-nahen Kreisen zu hören.
Die genauen Berechnungen und Verhandlungen finden derzeit statt, und sollen von der Regierung im späten Frühjahr 2019 abgeschlossen sein. Danach geht die gesetzlich komplexe Steuerreform ins Parlament, Anfang 2020 soll sie in Kraft treten.
2016, nach der noch unter Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vereinbarten Steuerreform, die ebenfalls fünf Milliarden Euro bewegte, gab es vor allem für Arbeitnehmer Entlastungen. Nun ist die Wirtschaft dran, aber nicht nur.
„Diese Regierung will wiedergewählt werden“, so beschrieb ein mit der Sache betrauter Experte, der nicht genannt werden wollte, das Motto der Steuerreform.
Nach den bisherigen Aussagen von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und seinem Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) zur Steuerreform wird die zwei Stoßrichtungen haben: Die Körperschaftsteuer, also die Gewinnsteuer der Kapitalgesellschaften, wird signifikant reduziert. Sie liegt derzeit bei 25 Prozent. Die Einkommensteuer, deren Sätze sich an der progressiven Lohnsteuer orientieren, wurde bereits 2016 gesenkt. Dazu soll es auch bürokratische Erleichterungen für Unternehmen geben, etwa in der Lohnverrechnung.
Entlastung Mittelstand
„Es ist vereinbart, dass es auch bei kleinen und mittleren Einkommen zu einer Entlastung kommen wird“, sagte Jim Lefebre, Sprecher des Finanzministers. Die Sätze bei der Lohnsteuer sollen demnach reduziert werden. Sie liegen der bei 25 Prozent (zwischen 12,600 und 18.000 Euro jährliches Einkommen), 35 Prozent bis 31.000 Euro jährlich, sowie 42 Prozent bis 60.000 Euro. In welchem Ausmaß wird derzeit zwischen den Koalitionsparteien verhandelt. „Ob die Sätze oder die Korridore wird gerade berechnet“, so das Finanzministerium.
„Wir denken die Steuerreform aber breiter“, bestätigte das Finanzministerium den „finanznachrichten“. Auf die Sozialversicherungen und Kammern kommt – neben den Zusammenlegungen – damit weiterer Unbill zu. Um auch die Lohnnebenkosten zu senken, sollen niedrige Einkommen von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden. Während es bei der Lohnsteuer progressive Sätze gibt, die mit dem Einkommen steigen, beginnt die Sozialversicherung ab der Geringfügigkeits-Grenze von 438,05 Euro monatlich zu greifen. Für unselbständig Erwerbstätige zahlen Dienstgeber und -nehmer insgesamt 37,75 Prozent vom Bruttolohn. 20,6 Prozent entfallen davon auf die Arbeitnehmer. Nach Plänen der Regierung sollen niedrige Einkommen ab 2020 weniger dafür bezahlen – Stichwort: mehr netto vom brutto. „Da werden die Sozialversicherungen sparen müssen“, ist zu hören. Die Höchstbemessungsgrundlage für die Beiträge (derzeit 5130 Euro monatlich) soll nämlich nicht erhöht werden, das ist zumindest der Stand der aktuellen Verhandlungen in der Regierung.
Für die Arbeitgeber wird es weitere Entlastungen der Lohnnebenkosten geben, vor allem über den sogenannten Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Aus diesem Topf werden viele Familienleistungen finanziert, bezahlt aus Arbeitgeberbeiträgen auf die Arbeitseinkommen. Diese Lohnnebenkosten sind ein ständiger Quell der Diskussion. So gut wie alle Regierungen wollten diese Belastung reduzieren, um die Brutto- und Nettolöhne anzugleichen. Nach derzeitigem Stand soll dieser FLAF-Beitrag sinken, die Unternehmen werden es gerne hören.
Entlastung Industrie – Köst unter 20 Prozent
Das Körperschaftsteuer-Aufkommen steigt gemäß Budgetpfad der Regierung von acht Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 9,5 Milliarden 2020 – ohne Reduzierung bis 2022 auf 10,3 Milliarden.
Die Regierung hält sich hier bedeckt, da sowohl die politischen Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ noch laufen als auch die exakten Berechnungen. Steuerexperten, von den „finanznachrichten“ befragt, rechnen mit einer Reduzierung von 25 auf 19 Prozent oder darunter. „Das würde international sehr stark wahrgenommen werden, und den Standort stärken“, sagte ein Wirtschaftstreuhänder. Aus Industriekreisen ist zu hören, dass diese Senkung möglicherweise erst 2021 in Kraft treten könnte.
Die Halbierung der Körperschaftsteuer auf nicht entnommene Gewinne ist ebenfalls denkbar, vor allem die Industrie wünscht sich das. Sie würde etwa 1,2 Milliarden Euro Entlastung bringen. Dem liegt eine von der Industriellenvereinigung errechnete Gewinn-Ausschüttungsquote von 35 Prozent zugrunde. Dies soll weitere Investitionen auslösen, die wiederum zu Steuereinnahmen führen. „Netto“ soll sie die Republik 740 Millionen Euro kosten.
Für kleinere Unternehmen wird es Erleichterungen bei der Lohnverrechnung und der Bürokratie geben, das hat Staatsekretär Fuchs bereits in einem Interview mit dem KURIER angekündigt. Dazu soll es eine Steuerpauschalierung für Kleinunternehmen bis 30.000 Euro Jahresumsatz geben. Die neue Maßnahme zielt vor allem auf start-ups und Jungunternehmer ab, die sich dadurch zu Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit viel an bürokratischem Aufwand mit der Finanz ersparen können. Ob diese Maßnahme greift, hängt vor allem vom tatsächlichen Pauschalierungssatz ab. Unternehmen, deren Ausgaben höher sind, können natürlich auch ganz normal bilanzieren, etwa über die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. (In der Landwirtschaft liegt die Pauschalierungsgrenze bei 100.000 Euro jährlich.)
„Es gibt keine Pensionsreform, die Regierung will wiedergewählt werden“
Da die Regierung jeden Anschein sozialer Kälte vermeiden will, werden bei der „strukturellen Steuerreform“ alle sozialen Klippen umschifft. Die Pensionsausgaben werden nicht angetastet. Für die ÖVP bzw. deren Wählerklientel wichtig: Die Pensionszahlungen an die Beamten steigen zwischen 2017 und 2022 von 9,2 auf 10,4 Milliarden Euro – sie werden nicht angetastet.
Der Zuschuss des Bundes zum „großen Rest“ der Pensionisten lag 2017 bei neun Milliarden. Er soll bis 2022 auf 12,7 Milliarden Euro steigen, dürfte tatsächlich aber darunter liegen. 2018 werden deutlich weniger als die budgetierten 9,5 Milliarden Euro ausgegeben. „Auch für ASVG-Pensionisten wird sich gar nichts ändern, es gibt keine Reform“, ist aus Regierungskreisen zu hören.
Die Steuerreform soll Österreich helfen, die ab 2019 wieder schwächer werdende Konjunktur zu stabilisieren. Die Entlastung von niedrigen Einkommen fließen überwiegend in den Konsum. Und die Körperschaftsteuer-Regelung für nicht entnommene Gewinne soll die Investitionsbereitschaft der Unternehmen hochhalten. Auch dies würde sich im Wachstum bemerkbar machen. Ob dies gewollte anti-zyklische Maßnahmen sind, wird in Unternehmerkreisen eher bezweifelt, der Effekt wäre aber ein solcher.
Politisch ist zu hören, dass die Steuerreform 2020 der ÖVP und der FPÖ bei der in diesem Jahr anstehenden Wahl in Wien Auftrieb verleihen. Auch auf die Europa-Wahl könnten die Steuerreform-Vorschläge Auswirkungen haben. „Die Arbeitsgruppe wird um den Jahreswechsel die genauen Vorschläge vorlegen“, sagte Lefebre vom Büro des Finanzministers. „Es geht dabei um die besten Effekte, aber auch um politische Ziele“, räumt er ein.
Eine deutliche Reduzierung der Körperschaftsteuer würde international stark wahrgenommen werden, und würde den Wirtschafts-Standort attraktiver machen. Denkbar ist, dass diese Senkung erst 2021 in Kraft tritt, die Steuerreform also in Stufen erfolgt. Denn die Selbstfinanzierungseffekte dabei seien signifikant. „Die Senkung der Köst unter Schüssel hat sich in zweieinhalb Jahren gerechnet“, ist aus dem Wirtschaftsbund der ÖVP zu hören. Der hat noch einen deutlichen Wunsch: Die volle Abschaffung der Mindest-Körperschaftsteuer.
„Die Kalte Progression wird nicht abgeschafft, das nimmt der Politik jeden Spielraum.“
Das würde für ein Volumen von eher sechs Milliarden Euro sprechen.
Dafür wird ein Ziel wohl endgültig aufgegeben: Die „kalte Progression“, also die Erhöhung der Steuerbelastung durch steigende Einkommen im selbständigen und unselbständigen Bereich, wird nicht abgeschafft. „Eine automatisierte Steuersenkung nimmt der Politik den Spielraum, inhaltlich und in der Inszenierung“, ist aus Regierungskreisen zu hören. Die wurde zwar ohnehin schon auf 2022 verschoben, aber auch in diesem Jahr wird sie nicht eingeführt werden – wenn die jetzige Regierung dann noch im Amt ist. Die kommenden Steuer-Entlastungen dürften mithelfen, dass dies der Fall sein wird.