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Erstellt am 01.03.2019

Refco, oder: Ermittlungen, länger als die Höchststrafe

von Reinhard Göweil

2005 – Wolfgang Schüssel war Bundeskanzler, Joseph Ratzinger gerade Papst Benedikt XVI. geworden, der Film „Million Dollar Baby“ räumte bei den Oscars ab und die Unicredit übernahm die Bank Austria. Anna Netrebko feierte in „La Traviata“ bei den Salzburger Festspielen einen Sensations-Erfolg. Bode Miller gewann den Ski-Weltcup und Österreich hatte 621.000 Einwohner weniger als heute.

Bei der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag wird an einem Sonntag dieses Jahres ein folgenschwerer Kredit an das US-Brokerhaus Refco vergeben in Höhe von umgerechnet 400 Millionen Euro. Blöd nur, dass Refco zu dem Zeitpunkt eigentlich pleite war, was sich am Tag danach herausstellte. Die Überweisung zu stoppen, kam zu spät.

Nun soll hier nicht in die Tiefen des – mittlerweile historisch umwehten – Refco-Skandals eingetaucht werden. Die Bawag ging deswegen gerade nicht pleite, der ÖGB musste die Bank aber 2006 an einen US-Fonds verkaufen, dessen Chef sich gerade als guter Freund von Donald Trump herausstellt. Aber das ist eine andere Geschichte.

13,5 Jahre später wird nun gegen drei ehemalige Bawag-Vorstandsdirektoren und den damaligen Generalsekretär des Instituts in Österreich Anklage erhoben, seit diesem Zeitraum wird also ermittelt. Und zwar wegen Beitrag zum schweren Betrug und Untreue.

13,5 Jahre lang als Beschuldigter geführt zu werden ist, das ist länger als die mögliche Höchststrafe ausmacht. Die Justiz muss sich die Frage stellen lassen, was sie sich dabei denkt. Für die Betroffenen war es seither unmöglich, beruflich Fuß zu fassen, obwohl sie nicht einmal wussten, was nun weiter passiert.

Aufgrund der langen Verfahrensdauer haben die Ex-Bawag-Manager nun rechtliche Möglichkeiten, diese Anklage zu bekämpfen, bis zum tatsächlichen Prozess in Wien werden also noch ein paar Monate vergehen.

Treppenwitz: Der Hauptbeschuldigte in den USA, Refco-Chef Phillip Bennett wurde 2005 in New York zu 16 Jahre Gefängnis verurteilt. Mit guter Führung kommt er Mitte 2020 wieder frei, danach schaut es auch aus.

Bennett wird also ein freier Mann sein, wenn die mutmaßlichen Beitragstäter aus Österreich erstmals vor einem ordentlichen Gericht stehen. Drei der vier angeklagten Manager stehen mitten im Leben, weit weg von jeglicher Pension.

Der vierte Beschuldigte, der ehemalige Bawag-Generaldirektor befindet sich auf einer Liste für unvollstreckbare Strafen, er wird selbst bei einer Verurteilung (irgendwann nach 2020 zu erwarten) keine Haft antreten – und ist auch zu alt dafür.

 

Die „finanznachrichten“ wollen hier bewusst nicht auf die Refco-Sache eingehen, dies zu einem späteren Zeitpunkt. Es geht hier darum die Frage zu stellen, warum die Justiz vor allem bei komplexen Wirtschaftsdelikten so lange braucht.

13,5 Jahre für Ermittlungen, das ist ein quasi-Berufsverbot für Beschuldigte. Diese „mentale und materielle Haft“ kann aber kein Richter später berücksichtigen.

Es wird interessant zu beobachten, wie in den kommenden rechtlichen Auseinandersetzungen unabhängige Gerichte diese lange Verfahrensdauer bewerten werden.