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Erstellt am 01.04.2019

Raiffeisen gerät ins Spiel der US-Politik

 

von Reinhard Göweil

Die Raiffeisen Bank International (RBI), früher RZB, ist seit 25 Jahren in Russland tätig. 2018 wurden in Russland mit 14,1 Milliarden Euro etwa zehn Prozent der Bilanzsumme des Bankkonzerns in Russland erwirtschaftet, aber fast 40 Prozent des gesamten Jahresgewinns. Mehr als 500 Millionen Euro verdiente die RBI im abgelaufenen Jahr in Russland. Sie beschäftigt dort 9000 Mitarbeiter, ist eine der größten Auslandsbanken.

Nun gerät die RBI plötzlich in die Wirren der US-Innenpolitik und die damit verbundene Medienpräsenz ist natürlich Gift für die Bank, für den Aktienkurs und wohl auch für Österreich.

„Was wir in den Bankstrukturen sehen, ist die tatsächliche Fähigkeit österreichischer Institute, russische Finanzmittel zu verstärken und an andere Orte innerhalb Europas zu verschieben. Österreichs Bankensystem ist in ganz Mitteleuropa und im westlichen Balkan sehr mächtig“, sagte die Eurasien-Expertin Heather Conley laut „Newsweek“ dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses (House Intelligence Committee). „Die Raiffeisenbank verstärkt die Nichttransparenz in der Region wegen ihrer Größe und ihrer großen Bedeutung.“

Aktienkurs der RBI muss aus politischen Gründen genau beobachtet werden

Die RBI hat dies am Montag zurückgewiesen, von einem Aprilscherz kann aber keine Rede sein. Es wird sich zeigen, wie Investoren auf die Meldung reagieren.

Die waren schon bei der jüngst bei der von „Addendum“ ins Spiel gebrachten Verbindung der RBI zur dänischen Skandal-Bank Danske ziemlich irritiert. Dabei soll es um Wäsche von russischem Geld gehen, die Beweislage und das war die RBI davon wusste, ist derzeit dünn. Der Aktienkurs rauschte trotzdem um mehr als zehn Prozent in die Tiefe und liegt derzeit um 20 Euro. Das Jahreshoch lag bisher bei 32 Euro, auch nicht berauschend, nachdem die Bank jüngst eine tolle Bilanz vorlegen konnte und 2018 mehr als 1,2 Milliarden Euro verdiente.

Negative Nennungen im US-Geheimdienstausschuss werden internationale Investoren nicht gerade motivieren, trotz des niedrigen Kurs zu kaufen.

Die „Toronto-Connection“ von Trump und Raiffeisen

Worum geht es eigentlich? Die damals noch RZB heißende Bank hatte 2007 um 310 Millionen Dollar den Trump-Tower im kanadischen Toronto finanziert. Da der Autor dieser Zeilen darüber erstmals 2017 in der „Wiener Zeitung“ darüber berichtete, einige Details:

Russische und ukrainische Investoren finanzierten diesen Gebäudekomplex aus Büros und Luxus-Wohnungen. Donald Trump, damals gerade wegen seiner Casinos-Pleiten in Atlantic City nicht gerade ein erfolgreicher Geschäftsmann, bekam von US-Banken keine Finanzierungen mehr.

Von Investorengruppen namens Midland und Bayrock abgewickelte Finanzierungen lebten von Geld aus Russland und der Ukraine, deren Herkunft – nicht zu Unrecht – unter Generalverdacht standen.

Trump war dabei nicht Kreditnehmer, sondern Lizenzgeber, kassierte mit Lizenzgebühren kräftig ab. Nun kann die Frage gestellt, warum eine Investorengruppe, deren Finanziers allesamt gute Verbindungen in den Kreml unterhalten, so großzügig sind, aber das ist eine andere Story.

Damals stellte sich Donald Trump quasi als Bauherr dar, der RZB-Vorstand versandte sogar eine euphorische Pressemeldung, die dem damals zuständigen Bankmanager Karl Sevelda mittlerweile wohl leid tut.

Das Projekt floppte. Die Büromieten und Verkaufspreise der Wohnungen lagen deutlich unter den Erwartungen. Raiffeisen verkaufte den Kredit 2016 mit Abschlag an J.C. Flowers, deren Geschäft es ist, aus notleidenden Krediten noch ein paar Prozent herauszupressen und damit Gewinn zu machen.

Die RZB bzw. RBI schrieb den Kredit 2016 offiziell ab. Ob die Bank aber damit wirklich Geld verlor ist nicht bekannt.

Für Raiffeisen war der Trump-Tower ein Russland-Risiko

Denn für die RBI war nicht Donald Trump der Kreditnehmer, sondern jene russischen und ukrainische Oligarchen, die sie aus ihrem Osteuropa-Geschäft bestens kannten. Und ganz im Hintergrund hat die russische, vom Kreml kontrollierte, VTB-Bank eine Rolle gespielt.

Die RBI gibt wegen des Bankgeheimnisses zu Einzelgeschäften keine Informationen. In der Bilanz ist das Toronto-Engagement nicht herauszulesen, aber in diesen Jahren waren die Kreditverluste so hoch, dass sie wohl nicht hervorstachen.

Sollte der Bank von russischer Seite der Kredit abgegolten worden sein, ist er auch wie Regen im Bilanz-Meer aufgegangen. „Für uns war das ein Russland-Risiko.“ Dieser (informelle) Satz eines Raiffeisen-Managers zeigt, dass Donald Trump bei diesem Toronto-Projekt kein Schuldner gewesen ist, sicher als Profiteur.

Für die RBI ist die Sache trotzdem überaus unangenehm. Donald Trump als umstrittener US-Präsident wird vom nunmehr demokratisch geführten US-Kongress heftig bekämpft. Und der konzentriert sich mittlerweile auf die vermeintlich dubiosen Geldströme seines Immobilien-Imperiums. Tatsächlich scheint Donald Trump als Unternehmer nicht gerade wählerisch gewesen zu sein, was seine Finanziers betrifft. Mit insgesamt neun Insolvenzen bei diversen Groß-Projekten wird es wohl auch in den USA nicht einfach gewesen sein, selbst reich zu bleiben…

Und da etliches Geld eben aus Russland stammt, kommt die RBI ins Spiel. Für die US-Innenpolitik ist die RBI ein Kollateralschaden, für den heimischen Finanzmarkt ist es eine Gefahr.

Die USA verstehen nicht, wie das kleine Austria in Russland so eine große Rolle spielen kann

Denn die US-Politik und die US-Behörden (inklusive Notenbank und Aufsicht) verstehen nicht, wie die Bank eines kleinen Landes wie Austria im mächtigen Russland eine so herausragende Rolle spielen kann. Nun, dazu gibt es zwei Antworten: eine ökonomische und eine politische.

Zuerst die ökonomische:

Der langjährige und mittlerweile pensionierte RBI-Vorstandsdirektor Herbert Stepic baute nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 die Präsenz dort kontinuierlich aus. Das ehemals kommunistische Land öffnete sich westlichen Investoren, Stepic erkannte sehr früh diese Chancen in einem Land mit heute 144 Millionen Einwohner, die nun marktwirtschaftlich ihren Wohlstand an den Westen angleichen wollten. Für Geldinstitute ein Eldorado, und so war es auch. Es kam die Rubelkrise im August 1998. Binnen Stunden verlor die Währung, nachdem der damalige Präsident Jelzin einer Abwertung zustimmen muste, 60 Prozent seines Wertes. Russland war geschockt, es mündete in einer Staatspleite. Vielleicht liegt hier die Skepsis von Wladimir Putin gegenüber westlichen Institutionen. Jelzin holte ihn 1998 in die Kreml-Verwaltung – zuerst als Geheimdienst-Chef, 1999 als Ministerpräsident. Er erlebte die Krise.

Die Rubel-Krise führte Russland vor Augen, was ungeregelte Märkte (und Russland war damals der „Wilde Westen“ des 20. Jahrhunderts) anrichten können. Die ausländischen Banken, geschockt von den Währungsverlusten, zogen sich aus Russland zurück, stoppten die Finanzierung russischer Betriebe und Haushalte.

Raiffeisen blieb nach der Rubel-Krise 1998, das wird Russland immer günstig betrachten

Die Wirtschaftsleistung sank im Jahr danach um fünf Prozent. Russland konnte den Kredit des Internationalen Währungsfonds nicht mehr bedienen, das Bankensystem brach zusammen. Die meisten ausländische Banken machten 1998 horrende Verluste, die Bank Austria verlor das Betriebsergebnis eines ganzen Jahres und zog sich entnervt zurück.

Raiffeisen verlor – in Relation zu ihrer damaligen Größe – noch mehr. Und blieb in Russland. Sie finanzierte weiter in Rubel, unterstützte als Euro-Bank die russische Zentralbank und hielt ihre Filialen im Land offen.

Das wird Russland – im positiven Sinn gemeint – Raiffeisen nie vergessen. Die meisten Amerikaner, auch Politiker, haben von der russischen Seele wenig Ahnung. Österreicher dagegen schon, das zeigt die Geschichte, auch in Wirtschaft und Kultur. Raiffeisen profitiert seither von diesem „Commitment“, das 1998 nicht selbstverständlich war. Kreml-Verantwortliche werden lieber mit Raiffeisen, dem sie vertrauen, Geschäfte machen als mit J.P.Morgan, selbst wenn diese Bank 50mal größer ist. Und die Bank verdiente in den Folgejahren prächtig. In den vergangenen zehn Jahren verdiente die RBI mehr als fünf Milliarden Euro in Russland. Die Verzinsung des dort eingesetzten Eigenkapitals lag 2018 bei 36 Prozent, das ist selbst unter Einrechnung der tatsächlichen Inflation dort ein Spitzenwert. Ohne – in Form von Dividendenzahlungen genossene – Russland-Gewinne würde es die Raiffeisen-Landesbanken, die Haupteigentümer der RBI sind, in dieser Form längst nicht mehr geben.

Wenn also nun die USA nun – wegen der Russland-Connection Trumps – beginnen, die Geschäfte der RBI zu hinterfragen, werden sie zuverlässig fündig werden. Die RBI hat gute Kontakte nach Moskau, seit mehr als 20 Jahren.

Was dies für den Aktienkurs bedeutet, wenn sie in die Turbulenzen der US-Innenpolitik gerät, sei dahingestellt. Eines ist jedenfalls sicher: Auf Basis des aktuellen Börsenkurses ist die Dividendenrendite formidabel.

Welche Herausforderungen sich damit der österreichischen Politik stellen, kommt im nächsten Artikel…