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Erstellt am 03.02.2021

Österreich 2021 – warm anziehen

von Reinhard Göweil

Es gibt auf Twitter den Schmäh, dass ein Unternehmer auf der (von Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer verunglückten) Plattform „Kaufhaus Österreich“ 1500 Euro gespart hat, weil er dort vergeblich versuchte, ein Notebook zu kaufen. Nun ist Sarkasmus eine Möglichkeit mit der „größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ (O-Ton Gernot Blümel) umzugehen, der ist halt nicht nachhaltig.

Schwächen zu analysieren ist zuwenig

Die Pressekonferenzen vom 26. Jänner 2021 und zuletzt vom 2. Februar der nunmehr „verzahnten“ Minister für Finanzen (Gernot Blümel), Wirtschaft (Margarete Schramböck) und Arbeitsmarkt (Martin Kocher) unterstützen diesen Sarkasmus.

Sie war eine Auflistung der aktuellen Schwächen bzw. Angreifbarkeiten der österreichischen Wirtschaft, bot aber wenige Auswege. Von einer Regierung ist zu erwarten, dass sie in einer Krise neue Initiativen setzt, um eine fundamentale Verbesserung der Lage aufzuzeigen.

Finanzminister Gernot Blümel beschränkte sich darauf hinzuweisen, dass Österreich mehr Geld als andere Länder ausgibt, um der Krise zu begegnen. 31 Milliarden Euro seien bisher zugesagt und ausgegeben worden, da sei prozentuell mehr als das Doppelte als der EU-Durchschnitt. Zukunft kam nicht vor.

Wirtschaftsministerin Schramböck meinte, dass drei Faktoren verstörend sind: Die geringe Konsum-Neigung (trotz steigender Sparquote), sektorale Schwächen in der Industrie sowie das vergleichsweise geringe Produktivitätswachstum.

Letzteres soll durch die Investitionsprämie verbessert werden, die – so Schramböck – Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro auslösen würde. Bis Ende Februar kann angesucht werden bei der staatlichen Förderbank aws.

Staatlich finanzierte Arbeitszeitverkürzung auf Zeit

Martin Kocher, der als ehemaliger Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts IHS dem Inhalt verpflichtet ist, kündigte immerhin die Aufstockung der Steuer-Unterstützung für Kurzarbeit für heuer von 4,5 auf sieben Milliarden Euro an. „Es ist ein sehr teures Instrument“, räumte Kocher ein.

Und das ist es in der Tat, in Relation wären es 2021 immerhin fast zehn Prozent der Budgeteinnahmen.

Denn die Aufstockung ist teilweise bereits „gefrühstückt“. Aktuell liegen die Zusagen für die Kurzarbeit bei mehr als zehn Milliarden Euro. Derzeit sind 434.000 Menschen in Kurzarbeit, davon entfällt – so Kocher – die Hälfte auf Handel und Tourismus.

Nun ist Kurzarbeit nichts anderes als ein mit Steuermitteln finanzierter Lohnausgleich einer Arbeitszeitverkürzung. Das zeigt schon, dass solche Mittel nur beschränkt eingesetzt werden können, eine dauerhafte, vor allem nachhaltige Lösung zur Sicherung der Einkommen ist das nicht. Mit Budgetmitteln Einkommensverluste zu reduzieren wäre der sichere Weg in eine unkontrollierte Verschuldung.

Qualifizierungs-Offensive geht zu langsam

Dafür ist wenig zu hören von der bereits im Vorjahr von Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigten großen Arbeits-Stiftung. Sie werde mit 700 Millionen Euro dotiert, das Geld dafür ist im Budget bereits vorgesehen. Wenn es also- wie es zuletzt Hannes Androsch im „trend“ postulierte – darum geht, Bildung, Forschung und Innovation zu fördern, dann gehört die Umschulung älterer Facharbeiter dazu sowie die nachträgliche Ausbildung junger Menschen. Dass zwar mehr als 700.000 Euro in ein funktions-untüchtiges Online-„Kaufhaus Österreich“ flossen, aber die Rahmenbedingungen für die Arbeitsstiftung nicht ansatzweise stehen, nennt der altersweise Androsch „Zukunftsvergessenheit“.

Und wenn die Regierung nun hervorhebt, dass niemand sonst in der EU so viel Geld aufwendet, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie einzudämmen, ist ein Blick auf die Statistik hilfreich.  50 Milliarden Euro wurden angekündigt. Es sind 31,2 Milliarden Euro geworden.

Beteiligt sich der Staat an privaten Unternehmen?

Und von diesem Betrag entfallen fast sieben Milliarden auf Garantien, für die der Staat einen Zinsgewinn lukriert, da dies vor allem die Industrie in Anspruch nahm.  Der geht es nicht so schlecht wie dem Dienstleistungs- und Tourismus-Sektor. Das Geld ist also nicht verloren, sondern verborgt. Ausfälle könnten trotzdem in Eigenkapital gewandelt werden. Ob sich der Staat an aus diesem Grund an Unternehmen beteiligt, wäre zu hinterfragen – aber das Geld ist jedenfalls nicht einfach weg.

Weitere 6,3 Milliarden Euro sind als Steuerstundung eingebucht. Auch dies ist dem Grunde nach ein Kredit der Finanz an die Steuerpflichtigen, muss also irgendwann bezahlt werden. Auf Basis der erwarterten Insolvenzen wird ein Teil davon verloren gehen, aber die Finanzämter sollen jetzt schon vorbereitet werden, langfristige Ratenzahlungen einzugehen. Auch diese Summe ist also kein verlorener Zuschuss – im Vergleich zu den verschenkten 150 Millionen Euro für die AUA, sondern streng betrachtet ein Kredit.

Die „offene Bombe“ sind die ebenfalls gestundeten Sozialversicherungsbeiträge, um die noch ein großes Geheimnis gemacht wird, sie werden aber sicher mehr als zwei Milliarden Euro ausmachen. Hier wird sich zeigen, wie die Kassen damit umgehen. Bisher waren es sie, die recht rigoros Insolvenzanträge stellten, wenn Beiträge ausblieben. Auch diese Stundungen sind eigentlich nur Kredite.

Hohe Defizite plus Stundungs-Zeitbombe

Auf all dies gibt es keine Antworten oder Konzepte. Im Bildungs- und Forschungsbereich sowie in der Digitalisierung offenbaren sich Mängel in der Krise umso drängender. Die heimische Wertschöpfung ist 2020 nach einer Wifo-Schnellschätzung um mehr als sieben Prozent geschrumpft, das sind in Summe etwa 30 Milliarden Euro. Eine Million Arbeitnehmer in Österreich befinden sich Anfang Februar 2020 in Arbeitslosigkeit, Schulung und Kurzarbeit. Zahlen, die durchaus Panik auslösen könnten.

Tut es aber nicht, vielmehr steigt die Sparquote sehr stark an, vor allem wegen der von den Maßnahmen wenig betroffenen mehr als 600.000 Bedienstete im öffentlichen und halböffentlichen Bereich. Die können bei vollen Bezügen wenig Geld ausgeben – und sparen.

 

Niemand redet allerdings aktuell über wirtschafts- und sozialpolitische Notwendigkeiten NACH der Krise. Für den Wohlstand und den Wirtschafts-Standort in Österreich bedeutet das alles nichts Gutes.

Sichtbar werden dafür alle Verkrustungen, die einer zukunftsorientierten und innovativen Entwicklung im Weg stehen. Das digitale „Kaufhaus Österreich“ steht hier beispielhaft.

Da ist verständlich, wenn Arbeitsminister Kocher eine möglichst rasche Durchimpfung erhofft, die wird aber erst spät im Jahr 2021 erreicht werden kann, wenn nicht erst 2022.

Am Ende wird also – wie es die Wirtschaftsforscher erwarten – ein ziemlich hohes Budgetdefizit auch 2021 und eine deutlich höhere Verschuldung stehen. Letztere belastet zwar das Budget kaum, da für mittelfristige Kredite weitgehend Negativ-Zinsen bleiben werden. Eine kuriose Situation: Die Verschuldung steigt, aber das durch Zinsen belastete Jahresbudget wird entlastet.

Forschung ist unterdotiert

Diese wenigstens zwei Milliarden, die sich die Republik Österreich im Vergleich zu früher jedes Jahr erspart, sollte für Innovations-Projekte ausgegeben werden. Wird es aber nicht.

So kosteten die Tests, Masken, und was alles von öffentlicher Seite für die Pandemie dafür ausgegeben wurde, auf mittlerweile 3,4 Milliarden Euro (in der Website-Grafik unter Soforthilfe zusammengefasst).

Eine kräftige Erhöhung der Forschungsausgaben ist indes in den Budgetvoranschlägen nicht vorgesehen. Zwar wird der Zugang zur Investitionsprämie erleichtert, indem die Umsetzung-Phase um ein Jahr verlängert wird. Aber darunter fallen auch neue Sessel in einem Friseurladen. Das ist löblich, aber hat mit Innovation wenig zu tun.

Die Qualifizierungsoffensive unter dem Schlagwort „Corona-Arbeitsstiftung“ umfasst derzeit 20.000 Menschen – es sollen insgesamt 100.000 werden. Ob dies heuer noch umgesetzt werden kann ist offen, Arbeitsminister Martin Kocher scheint jedenfalls entschlossen aufs Gas zu steigen.

Fehlende Facharbeiter, aber welche?

Es bleibt als ein Defizit 2020 von etwa sieben Prozent der Wertschöpfung und ein geplantes von 5,4 Prozent für 2021. Denn die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, derzeit sind 530.000 ohne Job. Dazu kommen 434.000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit, die wird wohl bis Jahresmitte verlängert. Dazu kommen die enormen Kosten für Tests und Impfungen. Der Aufschwung 2021 wird nach dem Absturz 2020 wohl eher abgesagt, es wird bestenfalls ein Schwünglein. Dieser Verantwortung wird die Regierung entgehen. Es wäre also schon an der Zeit, sich Gedanken um das „System Österreich“ zu machen. Denn eine Arbeitslosigkeit, die um die neun Prozent pendelt, ist schlicht zu hoch. Die – eigentlich absurd – fehlenden Facharbeiter in vielen Branchen behindern Investitionen. Und wenn die grüne Verkehrsministerin Gewessler nun ankündigt, neue Jobprofile im Rahmen der Klimaschutzinitiative zu prüfen ist das eine gute Idee. Nur halt um ein Jahr zu spät.

Wenn also Wifo-Chef Christoph Badelt meinte, „der Aufschwung wird kommen“ bleiben die Fragen: Wann, Wie und wer wird davon profitieren? Um bei Gemeinplätzen zu verharren: Die Hoffnung stirbt zuletzt…