November 2021, Österreich als letzter Hofzwerg
von Reinhard Göweil
Widerstand gegen „die Obrigkeit“ ist in Oberösterreich nicht ungewöhnlich. Seit dem Spätmittelalter erhoben sich Bauern und unterdrückte Bevölkerungsschichten beständig gegen Adel und Klerus. Von den Hussiten über Stefan Fadinger bis in den Vormärz hinein gibt es insgesamt etwa 60 dokumentierte Aufstände. Im 21. Jahrhundert ist diese stolze Tradition ins Traurige gekippt. Erstens ist „die Obrigkeit“ von den Oberösterreichern in freien Wahlen bestellt worden, davon konnte ein Stefan Fadinger nur träumen.
Impf-Gegner ob der Enns verwenden vermehrt ein Pferde-Entwurmungsmittel gegen das Corona-Virus. Das ist eine Satire, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Der Hersteller selbst warnt vor der Einnahme des Mittels – wurscht.
Der Obmann der Freiheitlichen Partei sitzt wegen einer Corona-Erkrankung zuhause in Quarantäne und postet auf Facebook: Wir lassen uns nicht einsperren!
Der Salzburger Landeshauptmann zieht Warnungen von Medizinern ins Lächerliche. Und die Tourismus-Ministerin erklärt unseren wichtigsten Gastländern für die Ski-Saison: Alles in Ordnung, seht her, ich habe auch keine Angst vor eine Ansteckung.
Der Obmann der größten Regierungspartei verteilt ein juristisch hoch umstrittenes Entlastungs-Gutachten gegen die ihn persönlich betreffenden strafrechtlichen Vorwürfe der Justiz statt Impf-Konzepte.
Die Regierung beschließt eine PCR-Testregelung für Arbeitnehmer ohne zu wissen oder zu bedenken, dass es dafür nicht die notwendigen Labor-Kapazitäten gibt.
Hätte Herzmanovsky-Orlando dies alles in eine satirische Erzählung verpackt, würden sich die meisten angeekelt abwenden, mit dem abgewandelten Präsidial-Spruch: So sind nicht einmal wir.
Nun, wir sind so. Österreichs Politik und die dahinter liegende Verwaltung (mit Ausnahme Wiens) versagen in einem Ausmaß, das niemand für möglich gehalten hätte. Es fehlt an praktisch allem: Valide Daten, klare Kommunikation, gemeinsame Konzepte: Was machen wir 2022 gegen die Pandemie? Nix davon zu hören.
Und wird es wirtschaftlich weitergehen? Wenn die momentan rollende Stornowelle in der Städte- und Ferien-Hotellerie übers Jahresende hinaus andauert, und Firmen ihre Mitarbeiter nicht beschäftigen, weil die sich nicht testen können, dann wird es grimmig. Dann sind die günstigen Wachstumszahlen 2022 für die Wirtschaft nicht zu halten. Mit allen bekannten Folgen: Höhere Arbeitslosigkeit, Pleiten, höhere Staatsverschuldung. Das im Nationalrat gerade diskutierte Bundesbudget für 2022 wäre so nicht zu halten.
Und wie wird es bildungspolitisch weitergehen? Schicken wir Schüler einfach nach Hause, ohne distance learning zu organisieren, weil die Schulen ja offiziell nicht zusperren? Lernen die Kinder und Jugendlichen dann einfach nichts? Und was machen deren Eltern, die mangels Test und Kinderbetreuung zuhause sitzen?
Für das Weihnachtsgeschäft, das für den heimischen Handel von großer Bedeutung ist, sind all diese Entwicklungen nicht unbedingt konsumfördernd.
Der nun kommende harte lockdown wird daher das vorgelegte Budget 2022 wegwischen wie Wettex Flecken am Tisch. Denn um die politisch verursachten wirtschaftspolitischen Scherben zu beseitigen, wird die Republik Österreich mehr Geld in die Hand nehmen müssen als sie vorhatte.
Der Reputationsschaden ist derzeit nicht abzuschätzen. Werden sich Unternehmen in einem Land ansiedeln, dessen Regierungspolitik so erratisch erscheint und deren Halbwertszeit mittlerweile unter jener Italiens liegt?
Wahrscheinlich wird das der Fall sein, aber weil es die Sozialpartnerschaft gibt und ein vergleichsweise günstiges Steuerumfeld. Die aktuelle Regierung kann dafür nix, sie ist – auf Basis Mitte November und von Herzmanofsky-Orlando – bloß der letzte Hofzwerg.