Noch mehr Staat – eine seltsame Öko-Steuerreform
von Reinhard Göweil
Ob die ÖVP-Grüne-Regierung mit der nunmehrigen Steuerreform-Ankündigung ihren Bestand bis Herbst 2024 gesichert hat, sei dahin gestellt. Da gibt es ja noch andere politische Unwägbarkeiten. Interessant war nur, dass vor allem ÖVP-affine Beobachter und -Berater dies in ersten Reaktionen als ganz starken Arbeitsauftrag sahen. Bevor also in die bei vor allem ökologische Steuerreformen immer biestige Sache eingegangen wird, einige Beispiele: Das steuerliche Dieselprivileg bleibt (vermindert den Literpreis um 8,5 Cent pro Liter), es wird eine neue Art des pauschalierten Agrar-Diesels geben, Energie-autarke Bauernhöfe (Stichwort: große Dachflächen) werden speziell steuerlich gefördert. Nix gegen die landwirtschaftlichen Betriebe, aber dass sich hier die ÖVP deutlich durchgesetzt hat. Finanzminister Gernot Blümel bei der Präsentation: „Es gibt halt den E-Traktor noch nicht.“
Nun, da wäre schon was gegangen, Traktor-Produzenten wie Fendt und New Holland arbeiten an Elektro- und Wasserstoff-Antrieben auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge.
Damit ist das größte Defizit dieser kommenden Steuerreform, die sich in Stufen bis 2024 hinziehen wird, beschrieben: Sie fördert den Konsum, also steuerliche Erleichterungen, die schnell wieder ausgegeben werden.
Notwenige Investitionen in die Zukunft werden dadurch bis 2024 schlicht ausgegeben, und nicht für wesentliche Weichenstellungen verwendet. Stichwort: Digitalisierung, Bildung, Wirtschafts- und Energiepolitik.
Ein politisches Einsprengsel: Natürlich bocken gewählte politische Parteien vor Sprüngen, die als übergroße Hürde die Wiederwahl bedeuten. Das gilt manchen als Webfehler der Demokratie, ist allerdings nur ein Denkfehler: Um den globalen Temperaturanstieg zu reduzieren, gibt es recht klare wissenschaftliche Ideen, die aber keinerlei parteipolitische Präferenz haben.
Genau das ist das Problem der Grünen, nicht nur in Österreich. Was nun ausgemacht wurde, mag ein „Einstieg“ (O-Ton Kogler) sein, aber von dort wird der Gipfel nicht erreicht.
Denn es geht um wirkliche Veränderungen, die auch von der Bevölkerung verstanden werden können. Sinnvoller wäre es etwa gewesen, das Dieselprivileg abzuschaffen, da die Tankstellenpreise zwischen Benzin und Diesel ohnehin vom Markt bzw. marktbeherrschenden Unternehmen und Ländern diktiert werden.
Wer einen Systemwandel will sollte doch erkennen, dass die Republik an steigenden Energiepreisen mannigfaltig über Steuern und Abgaben (und Dividenden staatsnaher Unternehmen) mitverdient. Das wird in die Steuerreform eingepreist, die Mineralölsteuer bleibt wie sie ist – und wohin sich die OMV entwickelt, blieb unerwähnt.
Genau das wäre aber die Aufgaben einer Regierung: Eine umfassende, in sich stimmige Strategie zu entwickeln. Mit den vorgestellten Ideen ist nichts davon gemacht. Die Senkung der Körperschaftsteuer, der Invest-Freibeitrag, die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer mögen international betrachtet Österreich helfen. Die Emissionen werden sie nicht reduzieren. Und vieles anderes auch. Das Entlastungs-Volumen dieser Steuerreform wird 2024 die nun angekündigten 18 Milliarden Euro auf deutlich reduzieren. Denn Finanzminister Gernot Blümel hat auch angekündigt, dass der Schuldenstand sinken wird.
Das künftige Wirtschaftswachstum eingerechnet, mag dies prozentuell (derzeit haben wir Schulden mehr als 87 Prozent der Wirtschaftsleistung) der Fall sein, aber es ist halt bedeutungslos. Die türkis-grüne Steuerreform zielt schlicht darauf ab, den Staat zu stärken. Für die niedrigen Einkommen wird er zur zentralen Stelle, nun auch bei der sozialen Krankenversicherung. Hier übernimmt der Staat die Aufgabe der eigentlichen Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Eine ungeheureTat, ohne öffentliche Diskussion.
Im Unternehmensbereich setzt er auf Subventionen statt auf Entlastungen. Das alles im Rahmen bestehender Körperschaften. Österreichs Staatsquote liegt – gemessen an der Wirtschaftsleistung – bei mehr als 57 Prozent, sie wird mit dieser Reform nicht deutlich genug sinken. Ob dies Innovationen beflügelt, darf bezweifelt werden.
Und ob Österreich 2040 klimaneutral dort steht, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesministerin Leonore Gewessler dies nun vorbereiten, können wir beide dann fragen. Herr Kurz wird dann 54 Jahre alt sein, Frau Gewessler 63.
Und nur so gefragt: Haben beide im Vorverkauf das österreichweite Klima-Ticket gekauft? Geht ja auf öffentliche Spesen und würde zwei Steuerzahler jeweils um 100 Euro entlasten, wenn sie urban leben…
P.S.: Noch ein kleiner Hinweis: Frühere Steuerreformen, die politisch immer die größten Steuerreformen aller Zeiten gewesen sind, haben doch darunter gelitten, das in der behördlichen Ausformung mittels Erlässen, etc. deutlich weniger übrig blieb. Vielleicht sollten die Grünen, die eh auf die Sache bestehen, in ihrer nunmehrigen Regierungsfunktion darauf achten…