Neuerdings sorgt auch die Nationalbank für Instabilität
von Reinhard Göweil
Als hätte Österreich politisch nicht schon genug Zores, sorgt nun auch die Nationalbank, ein Hort der Stabilität, für Unsicherheit. Die Wirtschaftsforschungsinstitute, auf deren Basis die gesamten Wachstums- und Budgetprognosen der Regierungen beruhen, leben zum Großteil von öffentlichen Förderungen, auch von der Nationalbank. Die sorgt für eine Art Basisfinanzierung und die soll nun 2023 wegfallen und einer internationalen Ausschreibung Platz machen. Sie soll von einer noch zu gründenden Expertengruppe finalisiert werden. Wer da drinnen sitzen wird, ist noch nicht bestimmt worden.
Diese Basisabgeltung finanziert bisher die Grundlagenforschung in den Instituten Wifo, IHS und wiiw. Der Umstieg auf reine Projektfinanzierung durch die Nationalbank wird in den dortigen Instituten so manche Studie unmöglich machen. Warum die Nationalbank das nun macht ist vielen unklar. Der Manager Claus Raidl, ehemaliger Präsident der Nationalbank und im Beirat des wiiw tätig: „Für mich ist das völlig unverständlich.“ Die Förderstrategie solle auf mehr Wettbewerb umgestellt werden, lautet die offizielle Version der Nationalbank. Künftig sollen sich auch andere Institute um Projekte bewerben können. Das in den drei Instituten versammelte Fachwissen wird sich also auf härtere Zeiten einstellen müssen.
Das wiiw, genau „Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche“, hat sich auf die Länder Osteuropas spezialisiert, auch Russland und die Folgestaaten der früheren Sowjetunion. Es genießt dabei international einen hervorragenden Ruf. Die EU etwa bedient sich ständig der Expertise der wiiw-Forscher.
Was da von der Nationalbank nun für 2023 ausgeschrieben werden wird ist noch unbekannt. Wenn es also eine Ausschreibung für Osteuropa-Expertise gibt, wird dem wiiw keine Konkurrenz drohen, die Ausschreibung wäre wenig mehr als ein bürokratischer Aufwand.
Deshalb scheint es durchaus unterschiedliche Meinungen innerhalb der Nationalbank-Führung geben, ist informell zu hören. Hinter der Änderung steht der Gouverneur der OeNB, Robert Holzmann. Die beiden Direktoren Gottfried Haber und Thomas Steiner scheinen nicht ganz so überzeugt zu sein, ist von Insidern zu hören.
Einsparungen soll es ja nicht geben. Die Nationalbank wird 2022 insgesamt fast vier Millionen für die drei Institute aufwenden. Das Wifo erhält 1,85 Millionen, das IHS 1,5 Millionen und das wiiw 630.000 Euro. Diese Beträge stellen für die heimische Notenbank keine unüberwindliche Hürde dar.
Gleichzeitig droht auch das Finanzministerium, der zweite bedeutende Geldgeber der Wirtschaftsforscher, mit Kürzungen. Beim IHS führte das zu Verzögerungen bei der Vertragsunterzeichnung mit dessen künftigem Leiter, Lars Feld. Der angesehene deutsche Ökonom soll Martin Kocher ersetzen, der ja als Arbeitsminister in die Bundesregierung gewechselt ist. Feld wird als „unbequemer Liberaler“ beschrieben, der zuletzt immerhin Vorsitzender der Wirtschaftsweisen in Deutschland war, einem wesentlichen Beratergremium der Berliner Regierung. Angesichts der aktuellen Debatten dürfte sich seine Freude, nach Wien zu wechseln, eher abgekühlt haben.
Die Unsicherheit der künftigen Finanzierung trifft zeitlich auf das Bekanntwerden von politischen Einflussversuchen der ÖVP auf Einschätzungen der Wirtschaftsforscher. Das IHS sei auf Linie, der damalige Wifo-Chef Badelt ein „Wendehals“, so die wenig schmeichelhaften Chats des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid. Badelt bezeichnet seine Zuschreibung – angesichts des Zuschreibers – ironisch als Auszeichnung. Der neue Wifo-Chef, Gabriel Felbermayr, selbst ein Top-Ökonom, hält sich derzeit klugerweise zurück.
Für die Forscher in den Instituten ist dies alles wenig motivierend. Das IHS wurde von den – 1933 bzw. 1938 aus Österreich vertriebenen – Top-Ökonomen Paul Lazarsfeld und Oskar Morgenstern 1963 mitgegründet. Unter Lazarsfelds Leitung entstand 1933 die sozialpolitische Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“, bis heute ein Standardwerk über die umfassenden Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit. Morgenstern gilt als Erfinder der Spieltheorie. Er war bis 1936 auch Chef des 1927 gegründeten Wifo. Zu dessen Gründungsvätern zählten auch Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises. Beide sind Bestandteil der berühmten „Österreichischen Schule“ der Nationalökonomie, die ein sehr liberales Wirtschaftsbild zeichnete.
Auf diesen Schultern stehen die Wirtschaftsforscher in den Instituten, und das sollte eigentlich auch der Nationalbank klar sein, die rein schon wegen der EZB eine volkswirtschaftliche Forschungsaufgabe hat. Nun darf eine glorreiche Vergangenheit keine Bestandsgarantie sein, wie die Ökonomen in Wifo, IHS und wiiw selbst am besten wissen. Aber wirtschaftliche Grundlagenforschung ist gerade in diesen Zeiten besonders wichtig und die kann in einem Land wie Österreich wohl nur von öffentlichen Stellen finanziert werden. Und abseits ihrer Unabhängigkeit als Notenbank gehört die OeNB zu 100 Prozent der Republik Österreich.