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Erstellt am 29.04.2020

Lufthansa – Das Löschen kostet mehr als der Brand

von Reinhard Göweil

Derzeit ist viel von der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Airlines und ihren Schwerpunkt-Flughäfen die Rede. Kein Wunder, denn alleine die Rettung des Lufthansa-Konzerns summiert sich in den vier Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien, in dem er Fluglinien und „Hubs“ betreibt, auf 11,5 Milliarden Euro. Das ganze Unternehmen ist aber derzeit knapp vier Milliarden Euro wert. Vor etwas über einem Jahr war das dreimal so viel, also knapp 12 Milliarden.

Vor wenigen Monaten war die Lufthansa noch begehrtes Objekt von Dividendenjägern, weil eine hohe Ausschüttung in Rede stand. Heute jagt bei Lufthansa nur noch eine Krisen-Videositzung die andere. Die Regierungen in den vier Ländern hätten eine Art Syndikat bilden können, dem war wenig Erfolg beschieden.

Aber wie schaut es denn nun mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Airlines in Zukunft aus?

Airbus rechnet mit wenigstens einem Drittel weniger Auslieferungen für 2020, für 2021 hofft der europäische Flugzeughersteller, mehr aber auch nicht. Bei Boeing geht es ums nackte Überleben, der US-Konzern hatte mit den Mängeln an der 737-Maxx ohnehin schon vor Covid-19 große Probleme.

Geschäftsreisen und Tourismus zeigen nach Süden

Die Airlines parken ihre Flieger derweil überall wo Platz ist, ein großer Teil der älteren Maschinen wird überhaupt ausgemustert und verschrottet. Denn die volkswirtschaftliche Bedeutung, die ist im Sinken begriffen. Die Reisebeschränkungen haben im Geschäftsleben und im Tourismus zu erheblichen Veränderungen geführt.

Videokonferenz-Dienste wie Zoom konnten ihre Benutzer vervielfachen. Zoom etwa klettert binnen  weniger Wochen von 10 auf 300 Millionen Nutzer bzw. Kunden. Wer früher zu geschäftlichen Verabredungen im Flieger saß, sitzt nun daheim vor dem Notebook. Die jeweiligen Hauptstadtverbindungen der Airlines werden wohl ausgedünnt bleiben.

Im Tourismus sind heuer Fernreisen weitgehend abgesagt, auch der Städtetourismus inklusive der dort stattgefundenen Konferenzen werden wegen der befürchteten Menschenansammlungen erheblich leiden. In den dicht bestuhlten Stränden rund ums Mittelmeer wird heuer niemand mit dem Badetuch um fünf Uhr morgens für „Reservierung“ sorgen müssen.

Viele Charterflüge werden ausfallen, die Reiseveranstalter nutzten dafür aber zum Teil von Airlines im Sommer nicht benötigte Linienmaschinen. Statt herumzureisen ist Urlaub daheim oder in der Region angesagt.

Soweit das Szenario 2020. Und was ist danach?

Die hohen Arbeitslosenzahlen lassen wohl auch für 2021 Zurückhaltung erwarten. Im Geschäftsleben werden Videokonferenzen viel häufiger eingesetzt werden, denn deren Kostenargument ist von Airlines nicht zu schlagen. Dazu kommt die unweigerlich zurückkommende Klimaschutz-Debatte, die den Luftverkehr schon vor Ausbruch von Covid-19 erheblich unter Druck setzte.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Fluglinien wird in Zukunft geringer sein als bis vor kurzem.

Das bringt die Regierungen zusätzlich in Bedrängnis. Wofür geben sie jetzt Milliarden aus? Die Airlines werden ihre Zahl der Beschäftigten nicht aufrechterhalten können. Weniger Flugzeuge und Fluggäste bedeuten auch geringere Auslastung der Flughäfen.

Lufthansa-Gläubiger können aufatmen

Nun wird der Lufthansa-Konzern mit insgesamt 11,5 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt. Er wird trotzdem Tausende Mitarbeiter kündigen müssen, und Strecken einstellen, was den Flughäfen Frankfurt, München, Wien, Zürich und Brüssel schmerzhafte Einbußen bescheren wird.

Die Schweiz hat es einigermaßen clever gemacht. Die Lufthansa-Tochter Swiss erhält umgerechnet 1,4 Milliarden Euro Billigst-Kredit von der dortigen Nationalbank. Wenn sie es überlebt, gibt es einen geringen Zinsgewinn. Wenn nicht, wird die Nationalbank dies verdauen.

Der Lufthansa-Vorstand drohte der Politik mit der Insolvenz des Unternehmens. Übrig bleibt, dass nun das Insolvenz-Risiko der Allgemeinheit übergeben wurde – inklusive AUA und Österreich. Am Ende wird der Luftfahrtkonzern aussehen wie nach einer Sanierung im Insolvenzverfahren, aber bezahlen werden das nicht Gläubiger und Aktionäre, sondern vier Staaten.

Warum die vier Staaten nicht gemeinsam die Lufthansa zu 100 Prozent übernommen haben, und für später einen Exit planten, liegt mehr an nationalem Eigensinn denn an wirtschaftlicher Vernunft. Zwar sollen bei der AUA zirka 270 Millionen Euro ins Eigenkapital wandern, was einer Beteiligung an der Lufthansa von etwa sieben Prozent entsprechen würde. Der deutsche Staat soll für seine 9-Milliarden-Hilfe eine Sperrminorität an der Lufthansa erhalten, das wäre also eine Milliarde fürs Eigenkapital. Ein Syndikat zwischen Deutschland und Österreich hätte wenig Sinn, ob 25 oder 32 Prozent ist auch schon wurscht. Und es ändert eines nicht: Die Fluglinie steht auch in diesem Fall vor überaus schmerzlichen Einsparungen.