Es grünt so grün, wenn politische Klimablüten blühen
von Reinhard Göweil
Es sind die guten Beispiele, an denen sich alle andere orientieren sollten, Probleme gibt es eh genug. Die Finanzchefs von Unternehmensgruppen wie Wienerberger, Binder, KTM, Montanwerke Brixlegg, Orasis (vormals Hirtenberger) stellten sich in Alpbach der Diskussion mit großen Geschäftsbanken der DACH-Region.
Eines wurde dabei sehr klar: Geschäftsmodelle, die Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund stellen, werden in der Industrie praktisch flächendeckend entwickelt und forciert. Oftmals ist die Industrie hier gedanklich und technologisch deutlich weiter als die Politik, die das zwar einfordert, aber mit widersprüchlichen Regulierungen verzögernd wirkt. Die aktuellen Krisen stellen auch die Unternehmen vor Probleme, die nicht alle gleichzeitig gelöst werden können. Energie-Versorgung und der Umgang mit den hohen Preisen erfordert kurzfristige Maßnahmen und verzögert ebenfalls die strategische Arbeit zur Energie-, eigentlich Ressourcen-Wende.
Denn eines wurde beim Finanzsymposium deutlich: Die Eigentümer der Unternehmen verlangen Profitabilität – und die weniger nachhaltig als vielmehr kurzfristig. Vor allem gelistete Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt bewegen, müssen diesen Spagat schaffen und haben ihren Anteilseignern Rede und Antwort zu stehen.
Beispiel Wienerberger: Die an der Börse notierte Publikumsgesellschaft baut Ziegel und das Unternehmen gerade in ein integriertes Baustoff- und Gebäude-Errichtungsunternehmen um, bis hin zu Finanzierungsfragen. Jedes der mehr als 200 Ziegelwerke des Konzerns soll – so der Plan – mit Solar- und/oder Windkraft ausgestattet werden. Ziegelbrennen ist ein energieintensives Geschäft, das großteils mit Erdgas befeuert wird. Das kurzfristige Thema des Wienerberger-Managements war daher, ausreichend Gas einzukaufen. Dazu war es notwendig, Kapazitäten in einem großen Speicher zu buchen. Das ist aufwändig, zeitlich und finanziell.
Wenn die Aktionäre dann auch noch Dividende sehen wollen und Maßnahmen, um den Aktienkurs wieder in die Höhe zu bringen, dann schlägt Profitabilität die Nachhaltigkeit wohl. Am Ziel, dass jeder Ziegel recyclierbar wird und besonders lange halten soll, hält das Unternehmen fest. Ob es in der gewünschten Geschwindigkeit gehen wird?
Milliarden-Investitionen sind notwendig, um Klimaziele zu erfüllen
Eine Frage, die bei vielen Unternehmen wie Wienerberger gestellt wird und auf die es der mehrere Antworten gibt. Eine gewichtige Antwort liegt bei den Banken, die von der EU aus berechtigtem Kalkül beim sogenannten „green financing“ in die Pflicht genommen wurden. Wenn Kredite und Kapital nur noch in nachhaltige Investitionen fließen, werden die Klimaziele erreicht, so die Rechnung der EU. Money makes the world go around, auch in der Ökologie, soziale Sicherheit und verantwortungsbewusste Firmen. ESG nennt sich das ganze – Environment, Social, Governance.
Nach diesen Kriterien sollen Finanzunternehmen Geld bereitstellen und dies wird auch von Aufsichtsbehörden überprüft. Je grüner das Investment, desto günstiger die Konditionen bei Krediten und je größer – hoffentlich – die Nachfrage von Investoren.
Wie aber schaut es bei den Banken selber aus. Die Umweltschutz-Organisation WWF und die Beratungsgesellschaft PwC haben eine Bankenstudie dazu gemacht und sich die österreichischen Großbanken in Sachen Klima und Biodiversität angeschaut. Eines vorweg: Besonders gut ist das Ergebnis nicht ausgefallen: „Das Fazit der zweiten WWF-Bankenstudie zeigt daher kein positives Bild“, heißt es.
Dabei wäre das Geschäfts-Modell vorhanden. Das Umweltbundesamt schätzt für Österreich, dass bis 2030 Klimaschutz-Investitionen in Höhe von 145 Milliarden Euro notwendig sind – in den Bereichen Energie, Gebäude, Verkehr und Industrie. Die Summe müsste – so das Umweltbundesamt – zusätzlich aufgewendet werden, um den politisch beschlossenen Klima-Pfad erfüllen zu können.
EU und Nationalstaaten, also auch Österreich, wenden dafür erhebliche Fördermittel auf, die freilich nur abgeholt werden können, wenn es diese Investitionen wirklich gibt.
Es hapert bei den Banken
„Eine zukunftsfähige Bank hat Umwelt- und Klimakriterien in alle Kernprozesse, zum Beispiel Risikomanagement, Finanzierungsgeschäft und Kapitalanlage, integriert.“ So beschreibt es die Studie, und so wollen es auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden. Es geht dabei nicht nur um nachhaltige Prozesse in den Banken selbst, sondern auch beim Angebot von grünen Finanzprodukten auf der Ausleihungs- und Veranlagungsseite.
Das ist am besten, aber auch nicht optimal bei der Bank Austria gegeben, hier darf wohl deren Mutter Unicredit als Impulsgeber gelten. Die meisten sind im Mittelfeld, Oberbank und Hypo Vorarlberg werden beim Klimaschutz im unteren Bereich geführt. Beim zweiten abgefragten Bereich, der Biodiversität, schaut es ganz finster aus. Die Vielfalt von Ökosystemen und Arten spielen bei den heimischen Banken eine mehr als überschaubare Rolle. Zu Unrecht, denn in diesen Bereich fällt der Flächenfraß, der in Österreich ein erhebliches Problem darstellt. Derzeit werden laut Umweltbundesamt etwa 11,5 Hektar Land täglich versiegelt. Ab 2030 sollten es maximal 2,5 Hektar sein. Straßen, Gebäude, Deponien, Kraftwerksanlagen besetzen jährlich den Platz in der Größe von Eisenstadt und reduzieren den Lebensraum von Flora und Faune und beeinflussen das jeweilige Mikroklima. Die Bau-Vorhaben dafür werden von Banken finanziert.
Um das Ziel zu erreichen, die Versiegelung so stark zu reduzieren, bedarf es nicht nur neuer Flächenwidmungspläne, sondern auch ein Umdenken bei den Finanzierungsplänen. Verdichtung im Wohnbau bzw. Umwidmung und Sanierung bereits bestehender bebauter Flächen heißt der Slogan. Davon sind die heimischen Banken so weit weg wie die Rückseite des Mondes vom Sonnenlicht.
Es fehle an Finanzierungs-Instrumenten, aber auch – sagt die Studie – an Beratungsleistungen für die Unternehmen. Bei Siedlungs- und Verkehrsvorhaben geht es nach wie vor allem um die Bonität des Bauträgers und nicht um die Qualität der Bauvorhaben. Zitat: „Die Banken müssen jetzt Klima- und Biodiversitätsschutz rasch ins Kerngeschäft integrieren.“ Und weiter im Text: „Bei Spar- und Anlageformen ist damit im Allgemeinen ein massiver Handlungsbedarf festzustellen.“
Auch für die Banken steht der kurzfristige Rentabilitätsgedanke nach wie vor im Vordergrund, wie auch für Eigentümer der betroffenen Unternehmen.
Es besteht dabei durchaus die Gefahr, dass ähnliches passiert wie bei den Eigenmittel-Vorschriften für den Erwerb von Wohnungs-Eigentum. Die von der Bankenaufsicht festgestellte Mindesterfordernis von 20 Prozent des Bausumme überfordert im privaten Bereich viele Familien. Allerdings hat es von der Aufsicht ausreichend Hinweise gegeben, dass die Vorgaben hier verschärft werden. Die Banken haben zu spät reagiert. Erst jetzt, als es Geltung erlangte, kamen die Institute und erklärten, das würde viele kreditbasierte Immo-Finanzierung unmöglich machen. Auch die Politik reagierte spät darauf. Nun steht die Aufsicht als der „Böse“ da, weil andere Marktteilnehmer das lange nicht ernst genug nahmen.
Genau das kann bei Klima- und Biodiversitäts-Schutz auch passieren. Die Banken haben die kommenden Erfordernisse kaum in ihr Geschäftsmodell integriert, auch hier könnte das Erwachen ein böses sein.
Es ist zwar nur ein schwacher Trost, aber die heimischen Banken stehen in diesem Dilemma nicht alleine da, wie die Klimakonferenz in Ägypten zeigte. Denn die Politik, die sich beim Thema gerne im besten Licht zeigt, macht hier viel zu wenig Druck auf die Finanz-Institutionen. Wenn reiche Länder die Schäden aus der Klima-Katastrophe für ärmere Länder ausgleichen sollen, dann wird es dazu auch private Finanzierungs-Quellen geben müssen. Davon ist – abseits allgemein gehaltener Kritik an Rohstoffkonzernen – kaum die Rede.
Grünes Schweigen, auch aus Scham
Die Bonitätsagentur Moody’s hat rechtzeitig zur UN-Klimakonferenz errechnet, dass selbst wenn die versprochenen Emissions-Reduzierungen umgesetzt werden, die Welt 2050 bei etwa der Hälfte der Pariser Klimaziele angelangt sein wird. Alleine die notwendigen Investitionen in saubere Energie (Atomkraft eingerechnet) müssten sich bis 2030 vervierfachen, so Moody’s. Tatsächlich verharren sie global auf dem Niveau von 2015, das ist viel zu wenig.
Und – so die Berechnungen – weiter: Viele Manager geben heute Versprechen für 2050 ab, weil sie wissen, dass sie dann längst nicht mehr im Amt sind. Investoren werden so beruhigt, aber dem Planeten und seinen jungen und künftigen Bewohnern hilft es gar nicht.
Moody’s stellt auch fest, dass es ohne privates Kapital nicht gehen wird. Dieses private Kapital funktioniert aber nach wie vor auf geltenden Rendite-Erwartungen und nicht auf Klima-Wandel.
Zu ESG gehört auch „Governance“. Der CEO des bedeutenden Schweizer Vermögensverwalters Julius Bär, Philipp Rickenbacher, sagte einem Schweizer Finanz-Portal, dass es praktisch unmöglich sei, die geforderten Versprechen zur Herkunft von Geldern einzuhalten. Im Klartext: Banker gehen sehenden Auges in ein Fehlverhalten, das von der EU und den Aufsichtsbehörden im Ernstfall geahndet wird.
Was passiert also? Nach dem „greenwashing“, also den eher salopp als nachhaltig angetünchten Finanzierungen kommt das „greenhushing“. Die Firmen und die Banken schweigen so lange es geht. Geschäfte mit Kohlebergbau-Unternehmen werden gemacht, aber so gut wie möglich über vielerlei Konstruktionen versteckt. Statt Transparenz herrschen blickdichte Vehikel über Steueroasen, Briefkastenfirmen, Stiftungen in wenig einsehbaren Ländern. Dahinter stecken aber kein Schwarzgeld, sondern durchaus reputierliche Großkonzerne, die bloß vermeiden wollen, als Klimasünder gebrandmarkt zu werden. Das sind selbst Unternehmen, die durchaus willens sind, die Erde zu retten, aber nicht wissen wie.
Heutige Manager sind 2050 längst in Pension
Das Problem wird nächsten Management-Generationen überlassen, denn es gilt, die eigene Reputation und die damit verbundenen Gehälter und Boni zu erhalten. Es gibt zwar durchaus Fortschritt, aber er verlangsamt sich und macht das „Nettonull-Ziel“ 2050 eher zum Bremsklotz anstatt zum Treiber.
Die Banken stecken dabei in einer Sandwich-Position. Sie erfüllen die ESG-Ziele selbst nicht, ihre Hauptkunden auch nicht. „Banken sind keine Aufpasser“, sagen daher immer mehr Banker. Dazu ist es aber wohl zu spät. Sie haben der Entwicklung der klimapolitischen Debatte zu lange passiv zu gesehen. Das taten sie schon bei den „Basel-Vorschriften“, als es um strengere Eigenkapitalvorschriften ging. Dem wurde zugeschaut, bis es fast zu spät war. Danach wechselten große Banken die Eigentümer, manche verschwanden von der Bühne.
Ebenso lange schauten die Finanzinstitute zu, als Gesetzgeber wie die EU und Aufsichtsbehörden immer mehr Klimaschutz-Maßnahmen an die Banken wälzte. Nun dämmert es vielen Geldmanagern, dass sie hier eine Verantwortung aufgebrummt bekommen, mit der sie nicht umgehen können. „Greenhushing“, wegducken, nur ja nicht in der Öffentlichkeit vorkommen in Bezug auf Klima- und Artenschutz: Eine psychologisch verständliche Reaktion, in der Sache selbst aber sinnlos.
Wenn nun gefordert wird, dass die Schadstoffemissionen 2025 ihren Höhepunkt erreichen und ab dann beständig sinken müssen, um das Pariser Ziel von 1,5 Grad Erwärmung noch zu schaffen, so bildet sich dies in den Investitionsplänen nicht ab. Es gibt Klimaforscher, die davon ausgehen, dass es trotz schärfster Klimaschutzmaßnahmen zu einer Erwärmung von 2,7 Grad bis 2100 kommen wird. Mit den jetzt noch geplanten Investitionen wäre alles unter drei Grad ein Wunder.
Kein Wunder also, dass viele Wirtschaftspolitiker und Manager ihre Hoffnung auf den technologischen Fortschritt setzen. Ob der in erforderlichem Ausmaß umgesetzt wird, werden auch erst kommende Manager- und Politiker-Generationen wissen. Und die fast zehn Milliarden Menschen, die 2100 auf einer sehr warmen Erde leben werden.