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Erstellt am 10.03.2020

Ein schwarzer Schwan namens Corona

von Reinhard Göweil

Nein, nicht Donald Trump hat der Globalisierung den bisher schwersten Schlag versetzt, sondern ein Virus namens Covid-19. Virologen gehen davon aus, dass eine weltweite Pandemie nicht zu verhindern sein wird. Länder wie der Iran, aber auch die USA und Italien waren schlecht auf einen solchen Ausbruch vorbereitet. Oftmals heißt es daher: Grenzen dicht. Warenströme werden unterbrochen, geschäftliche Flugreisen abgesagt. Großveranstaltungen werden abgesagt. Japan hat seine Insel Hokkaido mit fünf Millionen Einwohnern quasi unter Quarantäne gestellt, Italien ist insgesamt eine Sperrzone. Auch China reagierte rigoros, wenngleich vermutlich zu spät. Bei Antibiotika droht in Europa ein Engpass, weil ein Großteil der Wirkstoffe in China produziert wird, aber dort viele Fabriken still stehen, auch im Pharma-Sektor.

Der ökonomische Alptraum

Das ist ein ökonomischer Alptraum, und in der letzten Februarwoche 2020 manifestierte er sich an den Weltbörsen.  In fünf Handelstagen gingen weltweit etwa 6000 Milliarden Dollar den Bach hinunter, an den Märkten herrschte zeitweise Panik, die sich im März fortsetzte.

Noch dramatischer wird wohl der nachhaltige Effekt sein. Unternehmen werden wieder beginnen, ihre Lieferketten in einem engeren Radius zu organisieren, um Ausfälle zu verhindern. Das wird dann alles ein bisschen teurer, aber es wird vor allem eines bedeuten: Die wirtschaftliche Globalisierung wie wir sie kennen ist perdu.

Ein europäischer Pharmakonzern wird es sich auf Dauer nicht leisten können, lieferunfähig zu ein, weil sein Wirkstoff aus China nicht eintrifft. Und europäische Autokonzerne werden es sich auf Dauer nicht leisten können, im wichtigen Absatzmarkt China ein Minus von 90 Prozent zu verkraften, was derzeit der Fall ist.

Werden wir also wieder kleinere Brötchen backen?

Vermutlich ja, denn der kleine Corona-Virus, der in China vielleicht von einer Fledermaus auf den Menschen übergesprungen ist, führt uns die Verletzlichkeit einer globalisierten Wirtschaft deutlich vor Augen.

In den vergangenen Tagen haben die Börsen weltweit heftig darauf reagiert, der 9. März 2020 geht als „schwarzer Montag“ in die Historie ein – mit Rekordverlusten. Der Wiener Börseindex ATX hat mehr als 20 Prozent seit Jahresbeginn verloren, ähnlich schaut es an den anderen europäischen Aktienmärkten aus.

Noch heftiger – langfristig – ist die Reaktion der „Realwirtschaft“. Auch in Österreich steigt die Zahl der Unternehmen, die Kurzarbeit verhängen, dramatisch an. Und das wird wohl nicht das Ende der Fahnenstange sein. Tourismus und Industrie sind schwer getroffen, beide zusammen zeichnen für an die 40 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung verantwortlich.

So hat der „schwarze Schwan“, der um den Globus fliegt, alle Zutaten für eine schwere Krise. Der think tank der Industrieländer, OECD, hat die Wachstumsprognose halbiert.

„Black Swan“ ist eine englischsprachige Metapher, die höchst unwahrscheinliche Ereignisse bzw. deren Auswirkungen betrachtet.

Der positive „black swan“

Und daher gibt es auch einen positiven „Black Swan“. Die Entdeckung des Penicillin zählt dazu, weil die schlagartig Krankheiten heilbar machten, die davor noch tödlich verliefen. Die durch die Digitalisierung mögliche Vernetzung von Daten weltweit versetzt Forscher auf der ganzen Welt heute in die Lage, Erkenntnisse vom anderen Ende der Welt unmittelbar und zeitnah zu kennen und zu verwerten. Es ist daher anzunehmen, dass es in absehbarer Zeit einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird. Deutsche Virologen rechnen mit einem Impfstoff frühestens im Sommer 2021, wegen der notwendigen Tests und Zulassungs-Verfahren.

Regionalwirtschaft bis auf europäische Ebene wird in jedem Fall profitieren

Der negative „schwarze Schwan“ verbreitet Rezession, also eine schrumpfende Wirtschaft, eine Schuldenkrise in Italien mit Auswirkungen auf die europäischen Banken. Zweiteres ist zweifellos möglich, die EZB wird also noch mehr Geld bereitstellen müssen. Euro-Zinserhöhungen sind in noch weitere Ferne gerückt.

Auf der anderen Seite könnte die Erkenntnis über die Abhängigkeiten mancher Wirkstoffe und Produkte aus China und anderen Teilen Asiens (Südkorea ist ja auch sehr betroffen von Covid-19) dazu führen, Lieferketten engmaschiger zu ziehen.

Das wiederum wäre für Länder wie Italien ein großer Vorteil, weil Produktionen nach Europa zurückkehren. Italien hat besonders viel Industrieleistung an Asien verloren. Bis dahin wird aber noch viel Wasser den Po hinunterfließen. Und an dessen Ufern so mancher schwarze Schwan zu sehen sein.

Auch in Österreich bedeutet es, dass die öffentlichen Budgets 2020 und 2021 wohl nicht halten sein  werden, es geht wieder in Richtung Defizit. Der positive „black swan“: Österreichische Staatsanleihen weisen wegen ihrer hohen Bonität Negativ-Zinsen auf. Die Schulden werden also steigen, aber der Schuldendienst aus dem jährlichen Budget nicht.

Für den Gesundheitsbereich und auch fürs AMS wird es deutlich steigende Ausgaben geben. Dafür wird die regionale, kleingliedrige Wirtschaft profitieren. Denn wer zu Hause bleibt oder bleiben muss, kauft auch zu Hause ein.

So wird der schwarze Schwan auch bei uns heimisch – und verliert so einen Teil seines schrecklichen Nimbus.