Bei Signa werden Konkurse zur Strategie
von Reinhard Göweil
Es ist ein Spiel auf Zeit oder besser gesagt: gegen die Zeit. Die bisherigen Äußerungen der professionellen Gläubiger-Schützer in AKV, KSV 1870 und Creditreform zeigen: Im Signa-Dschungel gibt es derzeit keinen begehbaren Weg. Alle kämpfen sich Meter für Meter vor. Die erstmalige Gläubigerversammlung in Wien versuchte einen Weg zu zeichnen, oder vielmehr die Möglichkeit eines Weges. Der Weg lautete: Schau mer mal.
Man benötige 350 Millionen Euro, sehr schön. Wer gibt 350 Millionen in ein Konstrukt, das niemand durchblickt und das von mannigfaltigen Schadenersatz- und Gewährleistungs-Klagen bedroht ist? Und in dem nicht einmal die Eigentümerstrukturen klar sind? Derzeit niemand, aber aktuell herrsche ein beherrschbarer Bedarf und es gibt halt viele offene Fragen.
Ein Beispiel: Das ehemalige Leiner-Möbelhaus am Eingang zur der Wiener Mariahilferstraße, die wichtigste innerstädtische Einkaufsstraße. Es wird von Signa zum Lamarr-Einkaufstempel umgebaut, die Dachgleiche wurde gefeiert. Es gehört mittlerweile – so FN-Informationen – nicht zu 50, sondern zur 60 Prozent der thailändischen Central Group, einem in Handel, Hotellerie und Immobilien versierten Konzern, kontrolliert von der Familie Chirathivat. Die zählt zu den reichsten Familien des Landes und hat bereits von Signa die britische Einzelhandelskette Selfridge übernommen und hat das Sagen in Deutschland bei den Luxus-Häusern KaDeWe in Berlin, dem Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg sowie Globus in der Schweiz. Signa ist dort in Minderheitsbeteiligungen, auch wenn das Unternehmen die Standorte stolz vor sich herträgt. Die thailändische Unternehmerfamilie, die in Europa expandiert, wird vermutlich bereit sein, die komplette Verantwortung dafür zu übernehmen. Aber wird sie mit den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit kein Geld in ein insolventes Signa-Imperium einschießen, das als Immobilien-Eigentümer hohe Mieten kassierte. Der Konkurs über dieses Konstrukt ist wohl eher strategisch zu verstehen, um die thailändischen Eigentümer unter Druck zu setzen, weniger eine rechtliche Notwendigkeit.
Was sind die Aktien von Prime und Development eigentlich wert?
Womit die angemeldeten Insolvenzen bei Signa Prime und Signa Development in Eigenverwaltung in den Focus rücken. Angesichts der mehr als komplexen Strukturen wäre ein Konkurs naheliegend. Ein gordischer Knoten, der alles durchschlägt und Wege frei macht. Die selbst errechnete Aktie der Prime AG war zum Höchststand – so Insider – bei etwa 80 Euro und ist aktuell unter drei Euro. Die weitgehend unbesicherten Anleihen in der Signa Development, die vom Unternehmen selbst mir 300 Millionen Euro beziffert werden, werden – so Insider – derzeit mit weniger sechs Cent je nominellem Euro bewertet.
Allein daraus ergaben sich unterschiedliche Interessen bei den beiden Gläubigerversammlungen, auch wenn es immer nur um die Signa ging. Da etwa Entwicklungsprojekte wie der Elbtower in Hamburg bereits vor Fertigstellung in die Signa Prime umgeschaufelt wurden, ist vermutlich eine genaue Zuordnung der von den beiden Hauptgesellschaften begebenen Anleihen nicht so einfach. Nach vorliegenden Informationen umfasst das Anleihevolumen der Prime AG und der Development AG wenigstens 1,6 Milliarden Euro.
Das Problem dabei dabei, kurz gefasst: Die Anleihen beziehen sich auf die Immobilien-Gesellschaften und waren teilweise unbesichert. Die dahinter stehenden Immobilien, also die wahren Werte, waren ebenso teilweise bereits mit Bankkrediten belastet, also bestehen Pfandrechte, die bevorrangt werden. Sprich: Zuerst wird diese offene Forderung beglichen, was übrig bleibt, bekommen alle anderen Gläubiger.
Anleihen und Genuss-Scheine sind nachgereiht
Auf solch nachrangigen Forderungen sitzen etwa die Wiener Städtische Versicherung, die um 50 Millionen Euro bangt. Aber auch Gläubiger aus dem arabischen Raum, etwa Staatsfonds, die mit Vermittlung des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz erst 2022 zustande kamen. Die verschwiegene deutsche Unternehmerfamilie Schoeller wird mit 200 Millionen Forderung beziffert. Der Schweizer Fonds Arini wird ebenfalls genannt, er gilt in Finanzinformationen bei möglichen Verlusten als eher klagsfreudig. Abu Dabhi, das über einen anderen Fonds bei der OMV wesentlich beteiligt ist, soll sogar mit 550 Millionen Euro bei Signa hängen, allerdings sind deren Sicherheiten noch unbekannt. Im ersten Halbjahr 2024 sollen insgesamt 1,5 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten abreifen, wie es schön heißt. Für diesen Betrag heißt es, einen Finanzierung zu ermöglichen. Im aktuellen Stand – und ist das nicht nur ein Blickbefund – keine ausgemachte Sache.
Es zittern bei diesen Genuss-Scheinen laut Bloomberg: Der saudische Public Investment Fund (PIF) im Nennwert von 287 Millionen Euro, der singapurische Fonds GIC mit 85 Millionen Euro. Wie schon bei der Schwesterfirma Signa Development haben auch bei der Signa Prime deutsche Versicherungen kräftig zugegriffen. Die genossenschaftliche R+V Versicherung (Raiffeisen, Volksbanken) ist Bloomberg zufolge mit 300 Millionen Euro der größte Genussschein-Investor, LVM (Landwirtschaftliche Versicherung Münster) folgt nach dem PIF mit 137 Millionen Euro. Außerdem sind in Deutschland Continentale, Gothaer, Volkswohlbund, Bayerische, Signal Iduna unter den Investoren. Sie alle versuchen nun, ihr Geld in Kapital in Form von Immobilien zu deuten, um irgendwas zu kriegen. Das Prüfungsunternehmen Deloitte ist von der Signa Holding mit einer „forensischen“ Untersuchung der Kapitalströme beauftragt, eine Herkules-Aufgabe.
Haben Aktionäre ihr (verlorenes) Vermögen beleiht?
Vollständig unbekannt ist dazu noch, wie die Aktionäre der Signa ihre Beteiligung für eigene Geschäfte verwendet haben. Bei den Pleiten ist das aber durchaus zu beachten. Nehmen wir an, ein Signa-Prime-Aktionär ist bei einem Preis von 20 Euro eingestiegen und die Aktie stieg bis auf 80 Euro, das ist ja immerhin eine Vervierfachung des nominellen Einsatzes. Der könnte dazwischen einen Teil des Kursgewinnes mittels Verpfändung als Kreditsicherheit bei einer Bank hinterlegt haben, um sich irgendwas zu kaufen. Nun ist die Aktie etwa drei Euro wert, die kreditgebende Bank würde also einen Nachschuss verlangen.
Eine Rolle spielt auch die öffentliche Hand. Es geht um öffentliche Abgaben, die Private natürlich zu vermeiden suchen. Was das stärkste Argument gegen einen Konkurs ist: Bei einem damit verbundenen Eigentümerwechsel wäre Grunderwerbssteuer fällig, also 3,5 Prozent der Bemessungsgrundlage. Das alleine ist enorm teuer.
Republik als Scharfmacher
Die öffentliche Hand und ihr Vertreter, der Chef der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn, spielt hier sicher eine wesentliche Rolle. Dass er Rene Benko als Privatperson und seine Stiftungen nun haftbar macht zeigt schon, dass ein hartes Spiel gespielt werden wird.
Die Mitgestaltung der Finanz-, Gewerbe- und Gemeindebehörden, die wenigstens Stillhaltung bei Immo-Projekten gewähren müssten, ist allerdings wichtig. Ob die regierende Politik angesichts der Ungeheuerlichkeit der Benko-Story da mitspielt, gilt als eher unwahrscheinlich.
Der Verkauf von Luxus-Immobilien aus der aus der „Prime“ muss freilich den neu gegründeten Gläubigerausschuss passieren und dort sitzen wieder unbesicherte Anleihegläubiger, die gerade deswegen gegen ein sehr altes Gesetz zu Felde ziehen. Käufer haben also ein finanziell risikoreiches Damoklesschwert über sich, denn die Anleihezeichner wollen Geld sehen.
Folglich werden Sanierer – wie immer – von potentiellen Käufern vertröstet, denn für die kann es immer nur billiger werden, weil beim Verkäufer der Druck steigt, Einnahmen zu lukrieren.
Wie verworren das Konstrukt ist, zeigt sich an den Eigentumsverhältnissen bzw. deren unklaren Haftungen, Forderungen und Verpfändungen.
Was ist also klar: Die insolvente Signa Holding hält direkt und indirekt Anteile an den ebenfalls insolventen „operativen“ Gesellschaften Prime und Development sowie weiteren Unternehmen, die teilweise bereits in Konkurs sind, wie die Signa Hospitability. Damit endet die Klarheit.
Unklare Vermögens-Verhältnisse
Die Signa Holding gehört mehrheitlich zu 55 Prozent einer „Supraholding“, die Benko-Familienstiftung ist direkt nur mit elf Prozent drinnen. In dieser Surpraholding stecken viele Aktionäre, auch Benko selbst. Aber die Gesellschaft scheint eine Art Treuhandgesellschaft für viele Aktionäre gewesen zu sein, die dahinter ihre Aktien-Optionen oder direkt erworbene Anteile parkten. Insinder beziffern seine Anteile an der Holding durchgerechnet mit 52 Prozent. 15 Prozent hält Hans Peter Haselsteiners Familienstiftung, sowie die jeweils deutschen RAG-Stiftung und die R+V-Versicherung (Raiffeisen, Volksbank). Knapp unter fünf Prozent hält die Signa-Holding an sich selbst.
Die Haselsteiner-Stiftung ist mit mehr als 25 Prozent noch an der Signa-Development AG beteiligt, die Immo-Projekte umsetzt. Wie komplex die Sache zeigt ein Beispiel: Eine italienische Firma „Mieli II“, die vom Immobilien-Investmentfonds Madison geführt wird, ist mit 4,5 Prozent Aktionär. Deren Geldgeber: Peugeot-Familie, Kühne, R+V-Versicherung, RAG-Stiftung. Die kennen wir bereits im verzweigten Signa-Geflecht…
Wer also durchgerechnet wie hohe Anteile an einem fiktiven „Signa-Konzern“ ist nicht nur schwierig auszurechnen, es ist derzeit unbekannt.
Dazu kommt das ungewöhnliche Kreditengagement der Schweizer Bank Julius Bär, das bei Signa in Medien mit wenigstens 400 Millionen Schweizer Franken beziffert wurde und dem Geldhaus bei Investoren massiv geschadet hat. Julius Bär vergibt solche „private debt-Finanzierungen“ nach eigenen Worten nur „im Rahmen einer ganzheitlichen Vermögensverwaltung“ für sehr vermögende Privatpersonen an. Als Sicherheiten dienen – so Julius Bär – Gewerbeimmobilien und Luxus-Einzelhandel. Die Fragen für die Gläubiger lauten also: Wenn Julius Bär nur an sehr vermögende Personen Kredite vergibt, ist Rene Benko so einer? Wieviel Geld bzw. Vermögenswerte hat Rene Benko außerhalb der Signa-Gruppe gebunkert? Da Julius Bär bereits öffentlich angekündigt hat, „Maßnahmen ergriffen zu haben, seine Interessen zu schützen“ kommen hier wohl auf die Gesellschaften, Rene Benko selbst sowie den Vorständen und Aufsichtsräten erhebliche Forderungen zu.
Prominente in Haftung?
Zu den Aufsichtsräten zählen in Österreich immerhin Größen wie die ehemaligen Spitzenbanker Karl Sevelda, Karl Samstag sowie die Wüstenrot-Chefin Susanne Riess-Hahn, Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als Vorsitzender und Robert Peugeot von der französischen Industriellenfamilie.
Auf sie alle werden wohl wenigstens zivilrechtliche Klagen zukommen. Das alles wird Jahre dauern. Die arabischen Investoren, die mit ihren Forderungen vorerst abgeblitzt sind, werden wohl keine Ruhe geben, Geld genug für Anwälte haben sie ja.
Hans Peter Haselsteiner versucht mit seinem „Notkredit“ von 25 Millionen Euro an die Signa Development dort einigermaßen Disziplin und sein familiäres Stiftungs-Vermögen zu bewahren (siehe auch FN-Analyse von 1. Dezember 2023 „Zauberlehrling Benko“). Die Immobilien der Signa Prime wird so gut es geht verwertet werden. Und die Signa Holding wird davon abhängen, was insgesamt dabei herauskommt.
Das Problem dabei: Wegen der Insolvenz ziehen die Masseverwalter – wie die Investoren – all dieser Gesellschaften an unterschiedlichen Enden des Seils. Da Vermögenswerte in Form von (dazu noch teils grundbücherlich belasteten) Immobilien zwischen den Signa-Gesellschaften bzw. den Benko-Stiftungen herumgeschaufelt worden waren, weiß vermutlich keiner der Masse- bzw. Konkursverwalter, auf welche Vermögen jeweils tatsächlich zugegriffen werden kann.
Ob diese gordische Knoten durchschlagen werden oder besser gesagt: wie – ist unklar. Klar ist nur eines: Auf alle Organverantwortlichen in Vorstand, Geschäftsführung und Aufsichtsrat werden Klagen zukommen, auch strafrechtlicher Art. Ob dies der bestmöglichen Verwertung der dschungelhaften Signa-Gruppe entspricht, sei dahingestellt.