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Erstellt am 18.07.2019

Banken lernen Digitalisierung in Osteuropa

 

von Reinhard Göweil

Es klingt ein bisschen wie die Entwicklung der mobilen Telefonie in Osteuropa nach der Wende 1989. Die Festnetze der staatlichen Telekoms dieser Länder waren derart veraltet, dass diese Länder gleich auf mobile Kommunikation umstiegen. Mit der mobilen Kommunikation kamen die Smartphones, und mit den Smartphones kommen nun die Fintechs. Und die wirbeln die ost- und südosteuropäischen Märkte gehörig durcheinander, wie eine CEE-Studie der Raiffeisen Bank International zeigte.

Denn der „digitale Reifegrad“ mancher dieser Staaten liegt deutlich über dem Österreichs. Das ist vor allem für die in dieser Region besonders stark engagierten österreichischen Banken Raiffeisen und Erste Group sowie – via der Mutterbank Unicredit – Bank Austria eine Herausforderung.

So liegt der Anteil kontakt- und bargeldloser Kauf-Zahlungen in Tschechien bei über 90 Prozent, in Polen und Ungarn bei über 80 Prozent, in Rumänien bei 70 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt – wie in Österreich – bei knapp 50 Prozent, das trifft auch auf Bulgarien zu. Reife Märkte wie Großbritannien, Deutschland Frankreich, die Schweiz werden damit locker überflügelt.

Schwerpunkt der digitalen Transaktionen: Zahlungsverkehr und kurzfristige Konsumkredite.

Dementsprechend zeigen die Zahlen der „analogen“ Bank-Filialen in Osteuropa deutlich nach Süden. Die beiden österreichischen Banken haben in Osteuropa (gesamt) trotz Bilanz-Wachstum seit 2014 etwa 1000 Filialen geschlossen. Unicredit hat sich in Osteuropa von 2500 auf knapp 1000 Filialen eingedampft. Da es in diesen Ländern deutlich einfacher ist als in Österreich, Mitarbeiter abzubauen, geht das weiter. „Der Trend wird sich fortsetzen“, ist RBI-Volkswirt Deubner überzeugt.

 

Die digitale Infrastruktur dazu ist derzeit fest in Händen von zwei US-Konzernen: Apple Pay und Google Pay schlagen den Takt in Europa, auch in Osteuropa. Ob es den Kunden in Osteuropa nichts ausmache, auch noch freiwillig und gratis ihre Finanz-Gebaren an die beiden Daten-Konzerne zu liefern? Christian Wolf, der die „digital roadmap“ der RBI organisiert: „Die Kunden verlangen es einfach. Bequemlichkeit schlägt Datensicherheit, das ist die Wahrheit.“

„Die Kunden verlangen Bequemlichkeit, die für die meisten wichtiger ist als Datensicherheit.“

Um aufzuholen, hat die RBI ihre Digital-Strategie völlig neu aufgesetzt. „Wir sehen die Fintechs nicht mehr als Bedrohung, sondern als Ergänzung. Wir laden sie ein, mit uns zusammen zu arbeiten. Und wir haben den Innovationsprozess in der RBI verändert. Mitarbeiter mit einer guten digitalen Idee werden freigeschaufelt, um diese umzusetzen.“

Was sich in den Worten Wolfs‘ recht eingängig anhört, ist für die RBI – wie für andere Banken auch – ein Monstrum. Es gilt, einen gesamten Apparat auf die digitale Zukunft einzustellen. „Viele Mitarbeiter glauben, sie kapieren das alles nicht. Die Motivation sinkt“, sagte ein Raiffeisen-Manager zu den „finanznachrichten“, der anonym bleiben will. Derselbe Satz ist tatsächlich in den anderen Banken auch zu hören.

So arbeitet Raiffeisen International an einer Plattform, die Fintechs in Osteuropa nicht nur erfasst, sondern deren innovative Produkte auch einen Verkauf ermöglicht. Immerhin hat Raiffeisen in Osteuropa – inklusive Russland – 16,3 Millionen Kunden.

Banken stehen beim Kapitaltransfer vor nationalen Hürden

Das Problem einer gewachsenen, grenzüberschreitend tätigen Bank – im Gegensatz zu den Silicon-Valley-Größen: Sie sind nicht nur als Konzern ein closed shop, sie sind es auch regulatorisch. „Es ist so gut wie unmöglich, überschüssiges Bank-Kapital in einem Land in ein anderes zu transferieren, um dort etwa in Fintechs zu investieren, ist informell aus dem Sparkassensektor zu hören. Der hat sich kürzlich in Nord-Mazedonien eingekauft.

In Ländern wie Rumänien und Bulgarien gibt es eine recht lebendige digitale Community. Auch sie arbeitet im Finanzbereich mit regulatorisch sehr befreiten Konzernen wie Google zusammen, weil ihnen die Vorschriften und Auflagen von Banken einfach zu mühsam sind.

Eine Antwort auf die Digitalisierung des Finanzgeschäft haben die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden noch nicht gefunden.

Filialnetz in Osteuropa schrumpft deutlich

Denn – im Gegensatz zu den Fintechs – sind die flächendeckenden Banken auch auf absehbare Zeit auf ihr – schrumpfendes – Filialnetz angewiesen. Wolf: „Bei den simplen Dingen geht alles ins Netz. Aber bei einem Hypothekar-Kredit, oder wenn Firmen langfristigere Finanzierungen benötigen, kommen auch die Jüngeren in die Filiale, die sonst alles übers Netz oder Smartphone erledigen.“

Und daher werden österreichische Banken weiterhin Banken in Osteuropa kaufen, obwohl sie wissen, dass sie dann Filialen zusperren werden. Doch davon später…