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Erstellt am 24.07.2023

Angriff auf den Dollar

von Reinhard Göweil

Vielen Ländern, vor allem den globalen ökonomischen Mitbewerbern, ist die Dominanz des Dollar ein Dorn im Auge. Eine Ausnahme bildet Europa. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat während der Finanzkrise 2008 mit der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ein Abkommen geschlossen, sich jeweils unbegrenzt mit der jeweiligen Währung zu versorgen. China, Indien, Russland, Brasilien – ja, sogar Großbritannien, haben dieses Privileg nicht. Dementsprechend gering ist deren Bedeutung am Währungsmarkt. China hat die EU zwar bei der Wirtschaftsleistung überholt, aber deren Währung Yuan hat ein bisschen mehr als ein Prozent „Marktanteil“ im internationalen Geldgeschäft. Der Dollar hat 60 Prozent, der Euro 20 Prozent.

Eine Währung als Schutzschirm

In Österreich wird derzeit heftig über den militärischen Skyshield diskutiert, ob der Raketen-Schutzschirm mit der Neutralität vereinbar sei. Niemand diskutiert aber darüber, ob der Dollar-Schutzschirm, der sich über Europa spannt, mit der Neutralität vereinbar sei. Das ist inhaltlich absurd. Denn zur Landesverteidigung gehört auch die wirtschaftliche, und die hat Österreich mit dem – völlig richtigen – Beitritt zum Euro weitgehend aufgegeben. Der Euro hat sich spätestens seit der Finanzkrise 2008 als wirksames Schutzschild der europäischen Volkswirtschaften etabliert. Ohne flankierende Maßnahmen der US-Notenbank wäre dies kaum möglich gewesen. Aber die transatlantischen Wirtschafts- und Kapitalströme sind immer noch die wichtigsten in der Welt. Die USA und Europa, gemeinhin als „Westen“ bezeichnet, sind die größten Wirtschaftsblöcke der Welt. Das muss auch deren Notenbanken interessieren.

Russland, das seit Jahren die Dollar-Dominanz bekämpft, bezeichnet dies als „währungspolitische NATO“. Das rohstoffreiche Land leidet darunter, dass ihre Währung, der Rubel, international bedeutungslos ist. Öl, Gas, Getreide, Kohle und Erze werden auf internationalen Plattformen, die kaum als Börsen gelten, in Dollar gehandelt. Abseits von den aktuellen Sanktionen will der Kreml seit Jahren diese Dollar-Abhängigkeit verringern – mit geringem Erfolg.

Dollarkurs sinkt

Und doch verliert der Dollar an Wert, weil Finanz- und Devisenmärkte sensibel auf Entwicklungen reagieren. Wenn bedeutende Volkswirtschaften wie die BRICS die Verwendung des Dollar als internationales Zahlungsmittel reduzieren wollen, erzeugt das Wirkung. Denn Währungsgeschäfte sind voluminös. Umgerechnet etwa 7000 Milliarden Dollar an Devisen wechseln täglich den Besitzer. In zwei Wochen erwirtschaften diese Märkte einen Umsatz, der der jährlichen Wirtschaftsleistung aller Länder der Erde entspricht. Wegen der hohen Zahl bedeuten schon Wechselkursveränderungen von weniger als einem Prozent enormen Auswirkungen auf die Marktteilnehmer. Die bestehen aus Banken, Industrie- und Handelskonzernen, aber auch wilde Zocker.

Und deren Mehrzahl ist momentan der Meinung, dass die Dollar-Hegemonie abnehmen wird und investieren in andere Währungen. Im Vergleich zu praktisch allen anderen Währungen – mit Ausnahme der türkischen Lira – hat der Dollar nachgegeben. Ob sich diese Annahme bestätigt ist indes mehr als unsicher. Denn der Dollar ist mittlerweile nicht nur Zahlungsmittel, sondern politisches Mittel.

Russland, aber auch China, sind vom Zugang zum Dollar abhängig. Dieses Nadelöhr wird von der US-Notenbank Fed, den amerikanischen Geschäftsbanken, dem US-Finanzministerium besetzt. So sind beispielweise russische Agrarexporteure – wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine – vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Das wird – richtig geraten – von amerikanischen und europäischen Instituten beherrscht. Da Russland der größte Weizenexporteur ist, kann dies nur unter erheblich erschwerten Bedingungen und mit teilweise erheblichen Verlusten abgerechnet werden. Wenn Russland Weizen in den Iran verkauft, kann dies zwischen Rubel und Rial auf direktem Weg abgerechnet werden. Weder die Geschäftspartner, noch die beteiligten Banken haben daran Freude.

Das entspricht durchaus dem politischen Willen der US-Regierung. Sie setzt übrigens auch europäische Banken unter Druck, die nach ihrer Meinung die Sanktionen gegen Russland nicht genau genug verfolgen.

Kryptowährung

Das führt auf der anderen Seite – wie den BRICS – eben zu Überlegungen, ein eigenes Währungssystem zu etablieren und den Dollar zu umgehen. Das ist im herkömmlichen Devisengeschäft so gut wie unmöglich, die Kosten und Risken dafür sind schlicht zu hoch. Was die BRICS wohl planen, sind sogenannte CBDC. „Central Bank Digital Currency“ heißt das und es wäre eine Kryptowährung, die von den jeweiligen Zentralbanken gemeinsam entwickelt wird.

Diese CBDCs‘ werden derzeit von allen Zentralbanken der Welt entwickelt, auch von der EZB: Es wird einen digitalen Euro geben.

Experten glauben, dass jene Staaten, die eine weltweit akzeptierte CBDC entwickeln, die besten Chancen haben, den Dollar zur Seite zu schieben. Dabei gibt es allerdings wesentliche Parameter  – und die sprechen für den Dollar. Privat organisierte Krypto-Plattformen wie FTX, Bitfront, Genesis sind pleite gegangen – Milliarden gingen verloren oder wurden – mutmaßlich – gestohlen. Digitale Plattformen, die von Zentralbanken entwickelt werden, genießen eine vergleichsweise unerschöpfliche Sicherheit. Eine russische Plattform wäre vom politischen Risiko her unmöglich, nicht so sehr vom wirtschaftlichen.

Also wird der Angriff auf den Dollar auch von digitaler Seite her mehr als schwierig werden. Im Ernstfall werden Dollar und Euro zusammenhalten, weil sie den „monetären Westen“ repräsentieren. Allein China und Indien hätten die wirtschaftliche Kapazität dagegen zu halten. Doch gerade diese beiden Länder zeigen wenig Enthusiasmus. Chinas‘ Zentralbank ist gerade mit Swift dabei, eine Kooperation aufzubauen. Indien hat erkannt, dass es ohne Investitionen aus Europa nicht möglich ist, den Binnenwohlstand des mittlerweile bevölkerungsreichsten Land der Erde auszubauen.

Auch Goldreserven liegen im Westen

Ohne die USA und Europa (inklusive Großbritannien) wird es also kaum funktionieren. Eine andere – digitale – Weltwährung hätte nur eine Chance, wenn sich Europa und die USA geopolitisch und wirtschaftlich entfernen. Das ist so sichtbar wie die Rückseite des Mondes.

Eine zweite Möglichkeit, die BRICS-Währung mit Vermögenswerten zu untermauern, ist Gold. Auch hier stoßen diese Länder auf eine Hürde: Von den etwa 35.500 Tonnen Gold, die Zentralbanken halten, entfallen mehr als 70 Prozent auf „westliche“ Zentralbanken. Eine Sackgasse.

Digitaler Euro, FedNow

Zudem ist zu erwarten, dass sich die beiden Notenbanken Fed und EZB auch bei ihren selbst entwickelten Digitalwährungen koppeln. Da diese Notenbanken unabhängig von den jeweiligen Regierungen agieren, aber gleichwohl innerhalb ihrer demokratischen Systeme, wird der „Westen“ seine Devisen-Dominanz weiter ausüben.

Ein gutes Beispiel ist was sich derzeit abspielt: Die EZB arbeitet offensiv am digitalen Euro. Die US-Notenbank hat ein Projekt laufen, das sich „FedNow“ nennt. Es wird offiziell als mögliches Zahlungssystem beschrieben, ist aber handwerklich nichts anderes als der erste Schritt zu einer digitalen Dollar-Währung. Wie eng die beiden Zentralbanken zusammenarbeiten, hat sich aktuell bei den Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation gezeigt. Es wäre naiv zu glauben, dass dies bei einem strategischen Projekt wie digitalen Währungen, anders wäre.

Ein kleiner historischer Exkurs: Als mit Wirksamkeit 2014 die EU und die EZB den IBAN und grenzüberschreitend SEPA einführten, waren manche verwirrt, weil Bankleitzahl und Kontonummer abgelöst bzw. verschmolzen wurden. Es war ein erster Schritt zur bargeldlosen, digitalen Überweisung innerhalb des Euroraums. In den USA gibt es mit der „routing number“ von Konten etwas ähnliches. Alle amerikanischen Banken haben einen SEPA-Code, alle europäischen Banken haben eine „routing number“. Darüber werden alle Überweisungen durchgeführt, sind gespeichert und können kontrolliert werden. Und beide Währungen verfügen über einen Weltmarktanteil von mehr als 80 Prozent.

Wenn die BRICS nun versuchen, eine eigene Währungseinheit zu etablieren, so hätte dies nur Aussicht auf Erfolg, wenn viele andere Länder daran teilnehmen. Zwar gibt es von 19 Ländern Beitrittsansuchen, doch dies sind oftmals kleinere, wirtschaftlich schwache Länder. Die Dollar-Euro-Kooperation zu überwinden, ist im Moment kaum möglich. Und die russische Aggression gegen die Ukraine hat es nochmals schwerer gemacht. Der Westen steht auch währungspolitisch eindeutig auf Seiten der Ukraine. Das wissen auch Länder wie China und Indien – und werden Russland dafür nicht danken.