Adam Smith – Menschenfreund und Marktverfechter, beides ist möglich
von Reinhard Göweil
Ob Adam Smith ein überzeugter Junggeselle war, wissen wir nicht. Dass er emotionell und wohnlich zeitlebens eine enge Beziehung zu seiner Mutter hatte, das wissen wir. Dass sein Äußeres und sein Gesundheitszustand ihn nicht zum Liebling der Frauen machte, wissen wir auch. Dass er ein überaus kluger Kopf war, ist Standard. Sein zwölf Jahre älterer langjähriger Freund David Hume, ebenfalls Schotte und Säulenheiliger der Aufklärung, führte ihn in Paris in die Zirkel der französischen Aufklärer ein, die bei der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika die Feder führten. Er liebte gepflegte Gespräche, guten Wein und Freundschaft. Ein klassischer Salon-Intellektueller war er von Herkunft nicht trotzdem nicht. Der als überaus angesehener Universitätsprofessor 1790 in Edinburgh zu Grabe getragene Smith stammt aus zwar wohlhabenderen Verhältnissen, die sorgten für seine Ausbildung und keine Standesdünkel, die damals wohl gang und gebe waren.
Nun wird er plötzlich zum 300. Geburtstag gefeiert, weil er doch nicht der Erfinder des Neoliberalismus gewesen sei, sondern vielmehr Moralphilosoph, der als Junggeselle einen Teil seines Vermögens an Armen-Organisationen vererbte. Dazu sei folgendes gesagt: Vor 300 Jahren waren Philosophie und Ökonomie ein einheitliches Gebiet. Es gab weder gedanklich noch universitär einen Unterschied. Adam Smith würde 300 Jahre nach seiner Geburt gar nicht verstehen, dass Philosophie und Ökonomie in Lehre und Forschung vollständig getrennt agieren. Vielleicht war der 2010 verstorbene Volkswirtschaftsprofessor der Linzer Uni, Kurt Rothschild, der letzte, der seinen Studierenden die unauflösliche Gemeinschaft von Philosophie und Nationalökonomie nahe brachte.
Der Wissenschaftler Rothschild, der selbst das Gegenteil eines Neoliberalen war, hielt Adam Smith für einen exemplarischen Denker: Er war zwar in seiner Zeit verhaftet, aber ebnete den Weg für wesentliche Ideen der ökonomischen Zukunft.
Die „unsichtbare Hand des Marktes“, hat Smith dreimal verwendet, jeweils unterschiedlich, einmal sogar in einem Aufsatz über Astronomie, als er – wissenschaftlich wenig fundiert – über die unsichtbare Hand des Jupiters schrieb.
Trotzdem wurde diese Formulierung zum Chiffre, wonach die am Markt tätigen Unternehmen sich alles am besten selbst ausmachen können, der Staat solle nicht bzw. so wenig wie möglich eingreifen. Adam Smith selbst hatte damit wenig im Sinn, wenngleich er in britischer Tradition Vorgänge beschrieb, als Auslöser gedacht. Smith wollte den Menschen nicht verändern, sondern mit Information zu einer Verhaltensänderung führen. In Frankreich endete die Aufklärung an der Guillotine.
Dabei schreibt er selbst – im selben Kapitel des vierten Buches seiner „Wohlstand der Nationen“, indem die unsichtbare Hand vorkommt – empört: „So machte der holländische Inhaber der Woll-Manufaktur von Abbeville zur Bedingung, dass in der Umgebung von dreißig Meilen ein gleichwertiges Unternehmen nicht errichtet werden sollte.“
Smith waren Monopole ein Gräuel, aber er war auch ein Kind seiner Zeit, und deren Transport-Möglichkeiten. Dass heute riesige Containerschiffe zwischen Asien und Europa, die Arbeitsteilung neu definieren, gab es vor 300 Jahre nicht. Smith beschrieb zwar Außenhandel – aus Sicht des britischen Empires, vor allem aber zwischen Stadt und Land. So war ihm als trinkfreudigen Schotte klar, dass Franzosen ihren Wein auf die Insel exportieren, und Frankeich dafür Lammfleisch kauft – dies auf Basis fairer Regeln. Die politischen Spannungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich zu dieser Zeit sparte er weitgehend aus. Ob er Politik nicht ernst genug nahm, oder ob er das als vernachlässigbare Größe betrachtete, erschließt sich im „Wohlstand der Nationen“ nicht. Smith beschrieb oft ohne zu werten.
Sein Schlusssatz im Fünften Buch, drittes Kapitel im „Wohlstand der Nationen“ sollte zum 300. Geburtstag des Aufklärers Adam Smith wenigstens die Londoner Politik aufwecken und hat wahrhaft prophetischen Charakter: „Großbritannien sollte künftighin seine Ansichten und Pläne der tatsächlichen Mittelmäßigkeit seiner Lage anzupassen trachten.“