Diese Website verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen.
Mit der Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden. Alle Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Erstellt am 02.07.2022

Wohlstand verschwindet – Staat verschwendet

von Reinhard Göweil

Bei Bildung, vom Kindergarten bis zur Universität, fehlt es an Geld. In der Forschung fehlt Geld, im Gesundheitsbereich fehlt es an Geld, im Sozialbereich fehlt es an gezielter Förderung. Bei der Verfügbarkeit von Glasfaser für Breitband-Internet grundelt Österreich im unteren EU-Drittel, an der Einsatzfähigkeit des Bundesheers wird gezweifelt. Die Bürokratie hat in der Flüchtlingskrise und der Pandemie bewiesen, dass zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen viel Geld ineffizient verloren geht.

Der Gesamtstaat Österreich gibt jährlich allerdings 226 Milliarden Euro aus, und man wird das Gefühl nicht los, dass dieses Geld nicht so sinnvoll eingesetzt wird, wie es sich die Bürger wohl wünschen – und es auch erwarten dürfen.

Nun kommt ein zusätzliches, milliardenschweres Paket dazu, um den Menschen die Teuerung teilweise abzugelten. Die vielen Einmalzahlungen darin, also die bloße Verteilung von Geld an Haushalte, lassen sich budgetär darstellen. Die hohen Preise treiben auch die Umsatz- und die Verbrauchssteuern ordentlich in die Höhe. Der Staat zählt zu den Inflations-Gewinnern, so viel steht fest. Das wird nun mehr oder weniger effektiv an die Bevölkerung zurückgegeben.

Anstrengungen des Staates fehlen

Das Paket spart aber einen wesentlichen Bereich aus: Den Staat selbst. 226 Milliarden Euro auszugeben und trotzdem in so vielen Bereichen Mängel anzuhäufen klingt nicht sehr vertrauensbildend.

Ähnliches vermutet wohl auch der Fiskalrat, ein Beratungsorgan der Regierung, angesiedelt in der Nationalbank. Der nimmt in seinem aktuellen Bericht darauf Bezug:

„Um den Nutzen dieser Transfers zu maximieren, sollten sie (die Sozialtransfers, Anm.) rasch, verwaltungseffizient und zwischen den gebietskörperschaftlichen Ebenen gut abgestimmt geleistet werden.“

Den Eindruck erweckt die Regierung nicht.

Der Fiskalrat nimmt die Bundes- und Landesregierung aber auch umfassend in die Pflicht und mahnt gravierendere Eingriffe in die Struktur der Budgetausgaben ein: „Zur Vorbereitung gebietskörperschaftsübergreifender Strukturreformen sollte das bestehende Zeitfenster, das durch die Verlängerung des aktuellen Finanzausgleichs bis Ende 2023 besteht, genutzt werden. Besonders wichtig ist es, die mangelnde Konnexität von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung der Gebietskörperschaften zu thematisieren.“

Der Polit-Dschungel Finanzausgleich

Von all dem im aktuellen Paket nicht die Rede, obwohl die Zukunft ruft, und nicht die Gegenwart. Denn eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und immer stärker auch Sozialversicherungen ist eine Mammut-Aufgabe. An ihr sind bisher alle Regierungen der Zweiten Republik gescheitert. Ein vom damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel initiierter Konvent, der das Gefüge der Republik neu regeln sollte, kam zu guten Ergebnissen, endete aber im Nirvana. Realpolitik war immer stärker als Strukturpolitik.

 

Dazu zählt auch, dass der Finanzausgleich zwischen den Körperschaften mittlerweile so kompliziert geworden ist, dass sich nur noch zwei Handvoll beamtete Experten im Gesetzes-Dickicht auskennen, wie ein leitender Beamter des Finanzministeriums einräumt. „Wir sitzen hier neun Landesregierungen gegenüber, die ungeachtet ihrer politischen Zusammensetzung bei diesem Thema sehr einig sind. Der Bund zahlt, die Länder verteilen die Wohltaten“, meinte er.

Doch die sich überschneidenden Krisen der jüngsten Zeit haben die Herausforderung an die Politik gewaltig gesteigert. Das meint auch der Fiskalrat. Ein Weiterwursteln scheint angesichts der immensen Beträge fahrlässig. Die realpolitische Wahrscheinlichkeit spricht fürs Weiterwursteln.

In den kommenden Monaten bis ins Jahr 2023 hinein sind in Tirol, Salzburg, Niederösterreich und Kärnten Landtagswahlen. Die dortigen Landesregierungen werden sich vermutlich nicht durch verwirrende Finanzausgleichsverhandlungen in die Suppe spucken lassen. Und natürlich gibt es immer das Risiko vorgezogener Neuwahlen zum Nationalrat, so sehr ÖVP und Grüne in der Regierung Einigkeit verströmen. Sollten die also 2023 stattfinden, ist es mit einem effizienten Finanzausgleich auch Essig.

Dies alles wegen der sogenannten Realpolitik.

Als Anschauungsunterricht:

Fünf Prozent der 226 Milliarden einzusparen würde eine jährliche Entlastung von mehr als elf Milliarden Euro ermöglichen, etwa bei den Lohnnebenkosten.

Von den verbleibenden 215 Milliarden Euro zehn Prozent umzulenken, würde 21,5 Milliarden Euro jährlich freisetzen, die in Zukunfts- und Sozialbereiche gelenkt werden könnten.

Das sind gewaltige Beträge, die allerdings tiefgreifende Gesetzesänderungen notwendig machen, nicht wenige in Verfassungsrang. Das bedeutet, dass der Nationalrat (und die Landtage) mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Änderungen zustimmen müssten. Auch die in den Sozialversicherungen bestimmenden Kammern sind gefordert.

Utopie? Ja.

Trotzdem ist die Empfehlung des Fiskalrates ernst zu nehmen, der vom ehemaligen WU-Rektor und Ex-Wifo-Chef Christoph Badelt, einem sehr versierten Ökonomen geleitet wird. Der Staat gibt offenkundig zuviel Geld aus und verzettelt sich dabei. Es ist an der Zeit, dass sich der Staat wieder darum kümmert, den Wohlstand des Landes zu sichern. Es geht darum, in Bildung und Forschung zu investieren, Österreich zu einem attraktiven Standort zu machen. Dazu gehört auch eine umfassende Willkommenskultur für (im besten Fall gut ausgebildete) Zuwanderer, ohne die Österreichs Bevölkerung ohnehin schrumpfen würde. Auch bei solchen dynamisierenden „soft skills“ ist der Gesamtstaat säumig. So werden viele Ukraine-Flüchtlinge in Jobs beschäftigt, die sich unterhalb ihrer Ausbildung befinden. Grund: Die lange Dauer der Anerkennung von Bildungsstufen aus Drittstaaten.

Summasummarum gibt der Gesamtstaat sehr viele Staatseinnahmen für die Verwaltung aus, vor allem für die dazugehörenden Personalkosten. Er spielt bei den Konsumausgaben überdies eine Rolle, weil er über Zuschüsse und Beihilfen die Kaufkraft sozial Schwacher verstärkt.

Was derzeit auf der Strecke bleibt sind Investitionen in die Zukunft und in die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Sowohl bei der Energiewende als auch bei wichtigen Industrie-Bereichen wie die Automobilzulieferer sind Zweifel angebracht, ob hier auch die an den richtigen Schrauben gedreht wird. Oder ob nicht doch kurzfristige Wohltaten dem künftigem Wohlstand eine unwohle Hürde aufbauen.

Ein erster Schritt innerhalb der Politik?

Faktum ist, dass es heuer einen Wohlstandsverlust von wenigstens vier Prozent geben wird. Es würde den politischen Funktionsträger im Nationalrat und den Landtagen, in Bundes- und Landesregierungen, wenn sie ihre Entgelte um diesen Betrag für wenigstens ein Jahr reduzieren würden und das Geld in einen Innovations-Topf dotieren würden. Das ist natürlich eine populistische Forderung, es trifft auch politische Verantwortungsträger, die eigentlich mehr Gage verdienen würden. Aber: Mitgefangen, mitgehangen. Von der Höhe her würde ein ansehnlicher Millionenbetrag zusammenkommen.