Eine echte Steuer-Entlastung, politisch klug über Jahre verteilt
von Reinhard Göweil
Zwischen 2016 und dem Voranschlag 2019 sind die Steuereinnahmen ins Bundesbudget von 71,8 auf 79,7 Milliarden Euro gestiegen. Das Plus von schwach acht Milliarden Euro in dieser Zeit wurde erbracht von allen steuerpflichtigen Bürgern der Republik Österreich. Wenn also nun die Regierung bis 2023 eine Steuerreform mit einer Gesamt-Entlastung von plus/minus acht Milliarden Euro verspricht, so scheint dies nicht nur machbar zu sein, es ist es auch.
Bis 2023 soll in insgesamt fünf Schritten – der seit Anfang 2019 geltende Familienbonus eingerechnet – also eine Steuerreform beschlossen werden, die insgesamt zwei Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung ausmacht, also durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr. Auch dies ist machbar. (Zum Vergleich: Das Sparpaket 1995 wegen ausufernder Budgetdefizite machte zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in einem Jahr aus – die Republik hat auch dies verkraftet.)
Wenn also die Regierung am 30. April, quasi am Vortag der Arbeit, die Details zur Steuerreform präsentierte, und bei einem Entlastungs-Volumen von 8,3 Milliarden Euro mit einer Lücke von zwei Milliarden Euro kokettiert, so ist dies eher eine rechnerische Größe. Großen Einsparungen wird sie nicht auslösen.
Regierungs-Wording „soziale Reform“
Es ist natürlich, dass sich die Regierungsspitze für eine Steuerreform über den grünen Klee lobt. Es ist auch zweifellos so, dass die Entlastung fast zur Gänze ohne Gegenfinanzierung auskommt, die Abgabenquote also nicht bloß verteilt wird, sondern tatsächlich sinkt. Das ist nicht gering zu schätzen.
Dass sie so ausfiel wie nun präsentiert ist allerdings auf die Sorge der Regierung zurückzuführen „soziale Kälte“ zu verbreiten. „Es ist eine soziale Reform“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Und Vizekanzler Heinz Christian Strache bezeichnete dies als „fixen Teil. Vielleicht geht ja noch mehr in dieser Legislaturperiode.“
Als sozialen Kahlschlag kann die Opposition den vorliegenden Entwurf tatsächlich nicht bezeichnen. 75 Prozent des Volumens entfallen auf kleine und mittlere Einkommen – für Arbeitnehmer und Kleinunternehmen. Und der Forderung der Wirtschaftsforscher wie Wifo-Chef Christoph Badelt im Klub der Wirtschaftspublizisten, „runter, runter, runter mit der Abgabenbelastung“ wurde entsprochen.
Steuereinnahmen sprudeln bis 2023
Allerdings bleibt die Tatsache bestehen, dass dafür nicht großartig eingespart werden muss, sondern die Steuerzahler das Volumen durch die gute Konjunktur selbst einzahlen. Denn das Gesamtvolumen der Steuerentlastung verteilt sich auf fünf Jahre (2019 bis 2023). In dieser Zeit wird – gemäß Bundesfinanzrahmen – mit steuerlichen Mehreinnahmen von sechs Milliarden Euro gerechnet. In den Jahren 2017 und 2018 lagen die Mehreinnahmen bei ebenfalls fast sechs Milliarden – der guten Wirtschaftsentwicklung sei Dank.
Im Zeitraum 2019 bis 2023 sind Ausgabensteigerungen von mehr als sieben Milliarden Euro budgetiert. In diesem großen Topf aus Einnahmen und Ausgaben eine Milliarde zu finden, scheint nicht gerade eine Herkules-Aufgabe zu sein. Umso mehr, also ab 2020 etwa 500 Millionen Euro aus Steuererhöhungen kommen – Tabaksteuer und Glücksspiel etwa.
Noch einmal, die Steuerreform ist eine echte Entlastung, daran gibt es nichts zu rütteln, und der Bundeskanzler hat recht, wenn er darauf hinweist, dass dies Vorgänger-Regierungen nicht gelungen ist.
Die Sozialversicherungsbeiträge für Kleinverdiener (ab Geringfügigkeitsgrenze 446,81 Euro monatlich bis 2200 Euro) ab 2020 zu senken, und die beiden Steuersätze für Jahreseinkommen bis 31.000 Euro deutlich zu senken (2021 und 2022), wird wohl den Konsum beschleunigen – und in Form von Beschäftigung und Umsatzsteuereinnahmen teilweise wieder ins Budget zurückfließen.
Neues Einkommensteuergesetz vom „Steuerfuchs“
Die komplette Neufassung des Einkommensteuergesetz und die gemeinsame Bemessungsgrundlage für alle Dienstgeber-Abgaben (auch Kommunalsteuer), sowie die Entrümpelung des Gebührendschungels werden vor allem Klein- und Mittelbetriebe gerne hören. Hier hat sich die Regierung über weite Strecken an bestehenden Vorschlägen der Kammer für Wirtschaftstreuhänder orientiert. Das soll 2021 in Kraft treten.
Finanz-Staatssekretär Hubert Fuchs stellte auch in Aussicht, dass bei der Neufassung des Einkommensteuergesetzes die nicht unumstrittene Wertpapier-Kest überprüft wird. Wie überhaupt die Kübelung des Gesetzes einiges an Möglichkeiten birgt. Nach 160 Gesetzesnovellen finden sich dort Steuerausnahmen, die nur noch Spezialisten überblicken. Hubert Fuchs war selbst Steuerberater und kennt die Materie, manche seiner politischen Verhandlungpartner nennen ihn daher mittlerweile „Steuerfuchs“.
Industrie hätte sich mehr gewünscht, SPÖ wird sich mit Fundamentalkritik hart tun
2022 und 2023 soll in zwei Schritten die Körperschaftsteuer, also die Gewinnbesteuerung von Kapitalgesellschaften, von 25 auf 21 Prozent gesenkt werden. Das wird etwa eine Milliarde Euro kosten, da anzunehmen, dass durch die guten Unternehmensgewinne das Köst-Aufkommen bis dahin noch um einiges steigt. Derzeit bringt die KöSt etwa zehn Milliarden Euro. Die Industriellenvereinigung hätte sich hier „mehr Mut“ gewünscht, aber eine Senkung auf 19 Prozent hätte 800 Millionen Entlastungsvolumen von den Klein- und Mittelverdienern in Richtung Großunternehmen verschoben. „Die Angst, als sozial kalt dargestellt zu werden, war zu groß. Die Regierung will ja wiedergewählt werden, es ist also polit-ökonomisch zu betrachten“, sagte ein Wirtschaftsforscher zu den „finanznachrichten“.
Die spürbaren Entlastungen werden es jedenfalls der Opposition schwer machen, fundamentale Kritik an der Steuerreform anzubringen. 2022 wird in Österreich der nächste Nationalrat gewählt, in dem Jahr entfaltet die Entlastung ihre volle Schönheit. Dies wird vermutlich kein Zufall gewesen sein. Für die Regierung und deren Marketingprofis stellt sich nur die Frage, wie sie mehr als zwei Jahre lang die Vorfreude im Wahlvolk hoch hält.